Amnion 5: Heute sterben alle Götter
geworden: behinderte sein Sehvermögen geradeso, als hätte er Katarakte in den Augäpfeln. »An den Rändern sind klare Streifen, durch die ich was erkennen kann.« Er hatte wenigstens soviel freie Sicht, daß er durch die Luftschleuse gelangen konnte. »Mehr nicht.« Worte erstickten in seiner Kehle. Er mußte sich regelrecht zwingen, den nächsten Satz auszusprechen. »Ich brauche Hilfe.«
Hilfe beim Überwinden des Abstands zum Kommandomodul.
»Kein Problem.« Dios’ Stimme klang, als könnte er gar nicht mehr zu schmunzeln aufhören. »Wozu hat man denn Freunde?«
Angus hätte ihm gern ins Gesicht gesagt, was er von der ›Freundschaft‹ des VMKP-Polizeipräsidenten hielt. Aber dafür fehlte die Zeit. Außerdem hatte er diesen Teil seiner selbst beinahe schon vergessen.
Er hatte für die Reparatur zu lange gebraucht, sich zu krampfhaft konzentriert. Obwohl er sich der Gefahr bewußt war, hatte er sie ignoriert. Er stand hilflos wie ein Kind da, als er Servomotoren eine Innentür des Frachtraums öffnen hörte.
Er brüllte eine Warnung, versuchte einer Bedrohung auszuweichen, die er nicht sehen konnte, prallte mit Gestalten zusammen, die seine Bewegungsfreiheit einschränkten. »Achtung!« schrie Vector Shaheed. Sein Zuruf gellte durch Angus’ Raumhelm, unmittelbar bevor Schüsse aus Impacter-Gewehren krachten.
Mit verrückter Präzision analysierte Angus’ Interncomputer die Geräusche und unterschied Feuer aus drei gleichzeitig betätigten Waffen.
Hände stießen Angus zur Seite. In derselben Sekunde hörte er einen heiseren Aufschrei Warden Dios’ und das harte Rumsen aus Davies’ Waffe, als der das Feuer erwiderte. Dann schien ihn aus dem Nichts etwas zu rammen. Angus taumelte rückwärts, bis er gegen ein Schott prallte. Er hatte den Eindruck, daß irgend etwas – oder irgend jemand – ihn an die Wand drückte.
»Deckung, Davies!« heulte Dios. »Gottverdammt, in Deckung’.«
Davies’ Waffe knallte unablässig, als schösse er Sperrfeuer.
Angus sah nichts. Nun mußten sie womöglich alle draufgehen, weil er zuviel Zeit verplempert hatte; und er konnte, verflucht noch mal, nichts sehen.
Verzweiflung und die Emissionen der Zonenimplantate flößten ihm übermenschlichen Zorn ein. Im Handumdrehen überschritt er die Grenze von menschlicher Schwachheit zur kompromißlosen Auflehnung.
Mit einem Faustschlag zerdrosch er seine undurchsichtige Helmscheibe, schüttelte sich Plexulosescherben aus dem Gesicht.
Und stellte fest, daß er hinter dem, was von Vector Shaheeds Körper übrig war, am Schott lehnte.
Praktisch überall spritzte Blut aus Vector Shaheeds verstümmelten Gliedmaßen und dem zerschossenen Brustkorb. Im zerfetzten Fleisch klafften unterm zerplatzten EA-Anzug Wunden, die an Bombentrichter erinnerten. Ihn mußte die geballte Energie aus allen drei Amnion-Gewehren getroffen haben.
Offenbar hatte er sich vor Angus geworfen, um ihn, weil er nichts sah, zu schützen…
Im Augenwinkel bemerkte Angus, daß Warden Dios aus der Deckung der Schleusenkammer sprang und Davies mit roher Gewalt in die unzulängliche Sicherheit hinter der Irisblende zerrte. Wütendes Gebelfer der Impacter-Gewehre beantwortete Davies’ Schüsse, erhitzte die Luft, versengte die Schotts. Aber durch die Erwiderung ihres Feuers hatte er die Amnion gezwungen, sich zu ducken und zu verteilen. Er und nach ihm Dios erreichten unversehrt die Luftschleuse.
Verwünschungen gurgelten aus Angus’ Brust, die er selbst kaum hörte, schäumten aus seiner Kehle. Vector Shaheed war schon tot, fühlte keinen Schmerz mehr. Angus packte Shaheeds Raumhelm, löste ihn von den Schultern des Toten, stellte die Kopfbedeckung ab. Dann stapfte er unbewaffnet vom Schott auf die Angreifer zu, hielt Shaheeds Leichnam vor sich wie einen Schild.
Sein Interncomputer hatte recht: Es waren drei Amnion. Während er sich ihnen näherte, entzogen sie ihre Aufmerksamkeit der Luftschleuse. Schuß um Schuß schmetterten ihre Gewehre Vector Shaheed in Angus’ Armen zu Brei.
Mit Impacter-Gewehren kannte Angus sich aus.
Er hatte eine ähnliche Waffe benutzt, um Davies Hyland senior zu töten, Morns Vater.
Eine der Waffen lag kaum zehn Meter entfernt auf Deck, gleich neben der Leiche des Amnioni, der sie mitgeführt hatte. Angus spürte die Wucht jedes Treffers, der in Vector Shaheeds Leichnam schlug, aber stapfte, getrieben von Wut, unerbittlich vorwärts. Sobald er das Gewehr erreichte, bückte er sich danach, riß es an sich.
Dann zündete
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