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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Füße zu vertreten. Die Mehrzahl war seit beinahe zwölf Stunden nicht einmal auf der Toilette gewesen. Doch Ubikwe hatte die mit Bordrotation verbundenen Risiken nicht eingehen können, bevor der Polizeikreuzer in die Tach wechselte. Andernfalls hätte die Drallverschiebung das Raumschiff um möglicherweise mehrere hunderttausend Kilometer vom Kurs abgelenkt.
    Während Warnsignale durchs ganze Schiff gellten, beorderte Kapitänhauptmann Ubikwe den Zweiten Steuermann auf die Brücke, damit er Patrice ablöste.
    »Danke, Kapitän«, lallte Patrice mit lahmer Stimme. Es hatte den Anschein, als stünde er kurz vor der Ohnmacht.
    »Nein, Sergei«, erwiderte Dolph Ubikwe. Trotz der eigenen Ermüdung tönte seine Stimme fast laut genug, um ein Echo hervorzurufen. »Mit Sicherheit spreche ich für die gesamte Besatzung, wenn ich nun Ihnen danke. Sie sind nicht bloß ’n guter Steuermann, Sie sind ein nachweisbar brillanter Steuermann. Wenn wir diesen Schlamassel jemals hinter uns haben sollten, veranstalten Direktorin Donner und ich für Sie« – er gab das Versprechen, ohne Min auch nur anzublicken – »die größte, lauteste, versoffenste, abgefahrenste Riesenparty, die Sie je erlebt haben, und ich werde persönlich gegen jeden, der danach nicht stinkvoll ist, ein Disziplinarverfahren einleiten.«
    Glessen grinste matt. Cray und Person spendeten kurz Applaus. Trotz der tiefen Zermürbtheit durch ihre Furcht lachte Bydell laut; oder vielleicht gerade deshalb.
    »Danke, Kapitän«, wiederholte Patrice. Obwohl seine Augen glasig waren und der Kopf ihm auf den Schultern wackelte, rang er sich ein schwächliches Schmunzeln ab. Scheiße, Dolph, dachte Min erbittert. Hör auf mit diesem Humbug! Ich muß mit der Posaune reden.
    Paradoxerweise jedoch bewunderte sie gleichzeitig den Kommandanten der Rächer. Die Fürsorge, mit der er seinen Leuten begegnete, hatte unschätzbaren Wert. Min vermutete, daß sie ihm, falls er ihnen befahl, ihm in den Schlund der Hölle zu folgen, ohne Zaudern gehorchen würden.
    Die Warnsignale verstummten. Unter der Außenwandung begann der Rumpf der Rächer sich langsam um ihren Mittelpunkt zu drehen. Im ersten Augenblick war Min zumute, als würde sie zur Seite gepreßt, während Innenohren und Schweregefühl, durch zuviel gewaltsame Belastung überempfindlich und gereizt, sich auf die Änderung umstellten. Gleich darauf jedoch empfand sie wieder die vertraute Wahrnehmung der Bordgravitation. In ihrem Körper schienen die Organe sich umzuwälzen, als rutschten sie an die Stelle zurück, an die sie gehörten.
    Rund um Min stöhnten und seufzten Frauen und Männer, als ob sie eine derartige Erleichterung verspürten, daß sie nachgerade ans Unerträgliche grenzte.
    »Aber das muß erst mal warten«, vertröstete Kapitän Ubikwe den Steuermann. »Verschwinden Sie schleunigst von der Brücke. Emmett ist gleich hier. Bis dahin kommen wir ohne Steuerung zurecht.«
    »Aye, Kapitän.« Mit unsicheren Fingern öffnete Patrice seine Gurte, stemmte sich aus dem Andrucksessel. Erst mochten die Füße ihn nicht tragen; er mußte sich auf die Computerkonsole stützten, um sich aufrechthalten zu können. Doch einen Moment später schwankte er davon und verließ die Brücke.
    Min regte sich nicht. Sie hatte jetzt die Möglichkeit aufzustehen, die Verkrampfung ihrer Glieder zu lockern und das Glühen ihrer Nerven zu lindern, indem sie aufstand und zur Kommunikationsanlagen-Kontrollkonsole ging, um Cray ihre Anweisungen direkt zu erteilen. Aber um sich in Selbstdisziplin zu üben – oder vielleicht zur Selbstbestrafung – blieb sie an ihrem Platz; verdrängte ihre Beschwerden durch eiserne Willenskraft.
    Vorher muß ich mich um einiges andere kümmern.
    »Wenn Sie jetzt mit allem fertig sind, Kapitän«, sagte sie sarkastisch, »würde ich gerne das Raumschiff dort anfunken.«
    »Ich habs nicht vergessen.« Dolph Ubikwe kehrte ihr den Kommandosessel zu. »Ob ich fertig bin, weiß ich allerdings nicht.« Inzwischen verhehlte er seine Ermattung überhaupt nicht mehr. Aber durch irgendeinen geheimen Trick erweckte er den Eindruck, als gewänne er gerade aus der Überanstrengung stets wieder neue Kräfte; es schien, als ob die Müdigkeit seinen Hang zur Aufsässigkeit nährte. »Vor einer Weile konnten wir in den Rachen des Krokodils blicken. Nun ja, wir haben das Amnion-Kriegsschiff entwischen lassen. Aber irgend etwas liegt mir noch immer im Magen.«
    Jetzt geht es los, dachte Min. Ausgerechnet in dem Moment, da

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