Amnion Omnibus
Tasten zu finden, die sie suchte, testete die verschiedenerlei Funktionen des Kontrollgeräts.
Die Tür gab ihr nur eine knappe Warnung. Morn befaßte sich damit, das Zonenimplantat exakt und präzise genug zu justieren, um ihr Gehirn zu mobilisieren, ihre Fähigkeit zum Denken zu verbessern, ohne sich erkennbar hyperaktiv zu machen. Trotzdem lauschte währenddessen ein Teil ihres Bewußtseins ständig auf die Türglocke.
Sie konnte das Gerät eben noch abschalten, als ein Läuten ertönte, und es tief in die Tasche stecken.
Ihre Nerven vibrierten vom zu häufigen Hin-und Herprobieren, als sie sich der Tür zudrehte.
Nick grinste, als er eintrat, wirkte entspannt, ja übermütig. Nichts in seinem Blick oder an der Farbe seiner Narben unter den Augen deutete auf Verärgerung hin.
Anscheinend hatte er seinen Rachdurst gestillt und die Bereitschaft, es dabei bewenden zu lassen.
Das enthob Morn einer ihrer zahlreichen Befürchtungen.
»Die Scanner orten noch immer nichts«, bemerkte er und schloß die Tür von innen. »Ich bin ziemlich sicher, daß niemand uns folgt. Wollte
jemand uns an den Kragen, wäre er nicht so zurückhaltend. Wir dürfen noch ‘ne Zeitlang abwarten, bis wir das nächste Mal richtig losheizen.« Morn gab sich alle Mühe, um ihn anzulächeln. Ohne die Hilfe des Z-Implantats fiel es ihr schwer. Der Widerwille, den sie empfand, wenn sie an seine Gelüste dachte, nahm dadurch höchstens ein noch ärgeres Maß an. Vectors verbale Angriffe auf die VMKP hatte alles verschlimmert. Und die Strapaze, zwischen den verschiedensten synaptischen Erlebnissen zu wechseln, hatte sie so zermürbt und ermattet wie langes, schauriges Halluzinieren.
Zum Glück hatte sie die Hand noch in der Tasche. Vorsichtig senkte sie die Finger auf die Tasten, die sie jetzt betätigen mußte.
»Vielleicht war ich letztes Mal zu müde, um ‘n klaren Gedanken zu fassen«, sagte Nick und feixte begehrlich, »oder ich hatte zuviel um den Kopf, um mich richtig zu entsinnen, aber ich hätte schwören können, du wärst die tollste Frau, die ich je kannte.« Die Narben unter seinen Augen waren so dunkel, daß es schien, als schwöllen sie ihm aus dem Gesicht: drei schräge, schwarze Schwielen unter dem rechten, zwei unter dem linken Auge. »Ich wüßte gern, ob du das noch mal so hinkriegst.« Morn schluckte mühsam, weil sie einen häßlichen Kloß im Hals hatte. »Versuch’s doch rauszufinden«, antwortete sie mit gedämpfter, heiserer Stimme.
Sie aktivierte die Z-Implantat-Kontrolle, zog die Hand aus der Tasche. Dann öffnete sie die Bordmontur und ließ sie auf den Fußboden rutschen.
»Morn«, stieß Nick leise hervor, sobald er sie nackt sah. Er riß sie in seine Arme und bog sie rücklings auf die Koje nieder.
Diese Begegnung gestaltete sich als Wiederholung ihres ersten
sexuellen Beisammenseins. Nick gab den genarrten Künstler ab, den ihre unstillbare, irreführende Leidenschaft maßlos erregte; sie spielte das trügerische Instrument, das vortäuschte, es sei seine Männlichkeit, die sie so hemmungslos machte. Was sie zusammen taten, unterschied
sich nicht von dem Handlungsmuster, das sie beim ersten Mal erprobt hatte, und sie exerzierte es mit ihm, bis sich seine Wollust in einem letzten, so heftigen Orgasmus erschöpfte, daß er ihm Tränen in die Augen trieb.
Aber diesmal schlief er danach nicht ein. Vielmehr lag er neben ihr und hielt sie fest in den Armen, während sich seine Atmung verlangsamte und die Tränen auf seinen Narben trockneten. »Ich hatte doch recht«, flüsterte er ihr schließlich ins Ohr. Er sagte es in beinahe zärtlichem Ton. »Es gibt keine zweite wie dich. Keine Frau hat mich je so gewollt, daß sie sich mir derartig wie du hingegeben hätte.“
»Nick«, lallte Morn, »Nick...« Sie rieb ihre Brüste an ihm, streichelte seinen Penis, weil die Kontrolle noch aktiv war und er endgültig erschlafft, kurz bevor sie den Zustand neuraler Verzückung erreichte, die ihr Gehirn betäubt, ihre wirklich vorhandene Lust, ihr Lechzen nach Befriedigung gestillt hätte.
Sein Tonfall klang nahezu zärtlich; fast bezeugte sein Lächeln Zuneigung. »Wüßte ich es nicht besser«, sagte er, »könnte ich jetzt fast glauben, daß es so was wie Liebe tatsächlich gibt.« Morns Nervosität wuchs. Bis Nick sich bereit zeigte, sie sich ankleiden zu lassen, bekam sie das Kontrollgerät nicht in die Hand. Sie hatte es noch in der Tasche der Bordmontur. Darum riskierte sie es, zuviel von ihm zu verlangen:
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