Amok der Amazonen
selbst fragen. Das geht mich nichts an. Aber
Doris würde natürlich nicht um alles in der Welt zu ihm zurückkehren. Fünf
Jahre Ehe mit diesem Birnenmännchen würden jede Frau an den Rand ihrer
Nervenkraft bringen .«
»Haben Sie seine Adresse ?«
»Ja, irgendwo muß sie sein .« Sie seufzte, als langweilte sie das Thema. Aus einem Adreßbuch schrieb sie mir Neebles Adresse heraus.
»Haben Sie Ihren Revolver
geholt ?«
»Ja.«
»Gut. Sie können unten im
Empfangsraum schlafen. Da steht eine Couch. Aber ich erwarte, daß Sie nicht
schlafen wie ein Murmeltier .«
»Erst möchte ich noch mit Neeble reden. Können Sie die Frauen ermahnen, im Haus zu
bleiben und die Türen abzuschließen, solange ich weg bin ?«
Sie setzte sich kerzengerade
auf und schlug mit der offenen Hand auf die Schreibtischplatte.
»Lieber Himmel, warum müssen
Sie da ausgerechnet jetzt hin ?«
»Vielleicht ist Neeble der Mann, den wir suchen .«
»Vielleicht auch nicht.«
Wir hatten ein Patt erreicht.
Ich langte über den Schreibtisch und nahm das Blatt Papier mit der Adresse.
»In einer Dreiviertelstunde bin
ich wieder da«, sagte ich, nachdem ich einen Blick auf die Anschrift geworfen
hatte. »Den Revolver lasse ich Ihnen hier .«
5
Neeble wohnte oberhalb von Palo Alto in den Rotbuchenwäldern. Das Haus hing schräg an
einem Abhang, überschattet von Buchen und Kiefern. Drinnen schmetterte jemand
eine Opernarie zu Orchesterbegleitung.
Ein schmächtiges Männchen
öffnete mir die Tür.
»Ich habe im Moment leider
keine Zeit«, verkündete er mir gereizt. »Ich möchte mit dieser herrlichen Musik alleinsein .«
Ich fragte mich, ob ich etwas
Besonderes an mir hatte, was die Leute herausforderte, mir die Tür vor der Nase
zuschlagen zu wollen. Doch ich sagte mir, daß es an mir nicht liegen konnte.
Manche Leute werden einfach nervös, wenn sie einem Menschen von besserem
Aussehen und überlegener Intelligenz gegenüberstehen.
»Es handelt sich um Ihre Frau«,
sagte ich barsch.
»Meine — meine Frau? Was ist
denn mit ihr ?«
» Heute
nachmittag wurde ein Mordversuch auf sie verübt .«
»O Gott!« Er zwinkerte mehrmals
und rieb sich dann die Augen, als wäre er eben aus einem Traum erwacht. Hinter
ihm beschloß die Sopranistin mit einem letzten zitternden Ton ihre Arie.
»Vielleicht komme ich am besten
herein und berichte Ihnen ausführlich .«
Er wich rasch zur Seite, und
ich trat ins Zimmer. Es war einfach eingerichtet. Die Wände waren aus rohem
Holz, auf dem Boden lagen Strohmatten. Der größte Teil des Inventars sah aus
wie Gartenmöbel. Die Stühle hatten breite Armlehnen und dünne blaue Kissen.
»Es ist ihr doch nichts
passiert ?« fragte der kleine Mann in seinem
orientalisch wirkenden Morgenrock besorgt.
»Nein, nein. Sie hat nur einen
kleinen Schock davongetragen. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen,
die Frage nach dem Motiv zu beantworten .«
Er ging zu einem niedrigen
Musikschrank, dem einzigen Luxusgegenstand im Raum. Mit offenkundigem Bedauern
schaltete er den Plattenspieler aus.
»Ich — äh, ich habe meine Frau
seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen. Ich habe keine Ahnung, wem daran
gelegen sein könnte, ihr etwas anzutun. Wenn es nicht diese gräßliche Frau ist, mit der sie zusammenlebt .«
»Sie hat einen Mann gesehen,
aber sie konnte ihn nicht identifizieren. Wenn Sie es gewesen wären, dann hätte
sie Sie wohl erkannt. Die Frage ist nur, ob sie es auch verraten hätte .«
»Ich bitte Sie !« Er sank auf einen seiner Gartenstühle, als hätte ich ihm
einen Stoß versetzt. »Glauben Sie denn, ich wollte meine Frau töten ?«
»Ich kenne Sie nicht«, knurrte
ich. »Ich weiß nicht, wozu Sie imstande sind .«
»Nun, das würde ich keinesfalls
tun, und die Unterstellung gefällt mir gar nicht .«
»Würde Ihnen die Unterstellung
gefallen, daß Sie Lanette Holmes erschießen wollten
und zu spät merkten, daß Sie auf Ihre Frau geschossen hatten ?«
»Ganz und gar nicht.« Er lehnte
sich vor, die schmalen Lippen aufeinandergepreßt . In
dem mageren Gesicht, so schmächtig und zerbrechlich wie der Kopf eines Vogels,
wirkten seine dunklen Augen riesengroß.
»Sie haben versucht, Ihre Frau
dazu zu bewegen, zu Ihnen zurückzukehren«, beharrte ich.
»Ich finde, mein Privatleben
geht Sie nichts an .« Die Lippen wurden noch schmaler.
»Ich suche nach dem Motiv für
den Anschlag. Und im Augenblick suche ich bei Ihnen .«
»Das ist doch absurd. Wenn ich
sie zurückholen
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