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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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von delirierenden Zuständen mit Todesvisionen. Oft kam noch ein quälender Harndrang hinzu, und obwohl sie die Demütigung einer Inkontinenzhilfe akzeptiert hatte, konnte sie sich auch diesmal nicht dazu überwinden, sie zu benutzen. Lieber ertrug sie die Unannehmlichkeit, aufzustehen und sich ins angrenzende Bad zu schleppen.
    Anschließend entschied sie, sich nicht wieder hinzulegen. Es war zu heiß im Zimmer, und ihre Haut war glitschig vor Schweiß. Mit kleinen Trippelschritten ging sie ans Fenster und zog die Vorhänge zurück, um etwas frische Luft hereinzulassen.
    Die graue, neblige Morgendämmerung tauchte die Landschaft in ein ätherisches Licht. Der Himmel über den Downs war bleich und wolkenlos und verhieß erneut einen für die Jahreszeit zu warmen Tag. Vanessa beobachtete die Vögel, die hoch oben ihre Kreise zogen, und lauschte dem fernen Gezänk von Möwen und Krähen. Erst als er sich bewegte, sah sie, dass George im Garten war.
    Er saß am hinteren Ende des Rasens auf der Bank, von der aus man über die Terrassen zum Tennisplatz hinabblickte. Am oberen Ende der Treppe befand sich ein großer Steinsockel, der die Basis eines gestuften Brunnens bildete. In der Mitte der obersten Ebene stand die kunstvoll gemeißelte Skulptur eines Engels. Vanessa beobachtete, wie George sich vorbeugte, bis er fast vornüberkippte.
    Jetzt kniete er reglos auf dem Weg zu Füßen des Engels. Sie stellte sich vor, wie die Kälte in seine verschlissenen Gelenke drang, doch er ließ nicht erkennen, dass ihn das in irgendeiner Weise störte. Er trug noch die gleiche Hose und den gleichen Pullover wie am Abend zuvor, und sie fragte sich, ob er überhaupt geschlafen hatte.
    Und dann sah sie zu ihrer Verblüffung, wie er die Hände faltete und den Kopf senkte, als ob er betete. Sie musste es sich selbst sagen, ehe sie es glauben konnte.
    Er betet zu dem Steinengel.
    Die Vorstellung ließ ein Lächeln auf ihre Lippen treten, doch ihr eigenes steinernes Herz war weit davon entfernt, sich erweichen zu lassen. Das Gesicht dicht vor der Scheibe, flüsterte sie: »Du wirst sie nicht zurückholen.«
     
    Es war sieben Uhr. Julia lag im Bett und starrte an die Decke ihrer Wohnung in Lewes. Nachdem sie fast vier Wochen weg gewesen war, kam ihr die Umgebung angenehm vertraut und zugleich ein wenig fremd vor. Als sie endlich ins Bett gekommen war, hatte sie sich gefühlt, als könnte sie tagelang durchschlafen. Jetzt waren gerade einmal fünf Stunden vergangen, aber schon war sie wach und dachte über das nach, was sie zu Craig gesagt hatte.
    Wir schlagen zurück.
    Jetzt, mit der Klarheit, die das Tageslicht brachte, schien ein großer Teil dieser Zuversicht verflogen. Stattdessen empfand sie die irrationale Gewissheit, dass der Mörder unantastbar war.
    Nach der kurzen Fahrt im Krankenwagen hatten sie und Craig den Abend im Conquest Hospital von St. Leonards verbracht. Während Craig in der Notaufnahme darauf wartete, dass seine Schnittwunden gereinigt und verbunden wurden, ließ Julia eine umfassende Reihe von Untersuchungen über sich ergehen, darunter auch ein CT; zusätzlich wurden ihr Puls und ihr Blutdruck über mehrere Stunden überwacht. Schließlich hatte sie ein Gespräch mit einem auf entwaffnende Weise gutaussehenden jungen Arzt, dessen optimistische Diagnose ihn allerdings nicht daran hinderte, ihr einen strengen Verweis zu erteilen.
    »Sie haben erstaunlich großes Glück gehabt«, beschied er ihr. »Und ich meine nicht nur das Feuer. Das Gewebe da drin ist zum Teil ziemlich übel zugerichtet.« Er zeigte mit einem langen Finger auf ihren Bauch. »Wenn Sie das nicht ordentlich verheilen lassen, laufen Sie Gefahr, dass das Ganze irgendwann platzt wie ein Sack voll fauler Tomaten.« Er grinste, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Ich bediene mich dieses unschönen Bildes ganz bewusst, weil dann die Chance größer ist, dass es Ihnen im Gedächtnis haften bleibt. Und jetzt sprechen Sie mir nach.« Er artikulierte die Worte langsam und übertrieben deutlich: »Gehen ist gut, aber ich muss langsam gehen. Nicht laufen.«
    Julia kam sich vor wie eine Siebenjährige, als sie wiederholte: »Langsam gehen. Nicht laufen.«
    »Nicht springen, klettern oder schwer heben.«
    »Nicht springen, klettern oder schwer heben.«
    »Ich werde mich an einen Lebensstil halten, wie er für eine vernünftige junge Frau, die sich von einer schweren Schussverletzung erholt, angemessen ist.«
    »Nein«, protestierte Julia. »Das ist jetzt wirklich zu

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