Amok: Thriller (German Edition)
einschmeichelnden Lächeln, und sie musste ein Kichern unterdrücken.
Joe 90 , dachte sie. So hieß die Puppe, der er glich.
Sie zog die Jacke aus, ehe sie sich setzte. Als sie die Schultern durchdrückte, bemerkte sie, wie sein Blick zu ihren Brüsten ging und ihre Brustwarzen suchte, die sich durch die Bluse abzeichneten. Sie verschränkte die Arme und sah ihm in die Augen.
»Schön, dass Sie kommen konnten«, sagte er und klappte den Laptop zu. Er raffte die Papiere zusammen und ordnete sie mehr oder weniger willkürlich zu einem Stapel. Julia sah, dass er ein Glas vor sich stehen hatte, in dem sich noch ein Rest Cola befand, und sie fragte sich, ob er ihr wohl einen Drink anbieten würde. Nicht, dass sie großen Wert darauf gelegt hätte, aber unter den Umständen war es geradezu ein Gebot der Höflichkeit, dass er sie einlud. Offenbar waren Umgangsformen nicht gerade seine Stärke.
»Sekunde, ich bin gleich so weit«, sagte er. Er stellte den Aktenkoffer auf den Tisch, verstaute den Laptop und begann dann wieder, in den Papieren zu stöbern.
Laute Hochrufe erfüllten plötzlich den Raum. Als Julia sich umdrehte, sah sie eine Serviererin mit einer Geburtstagstorte voller brennender Kerzen aus der Küche kommen. Die alte Dame lächelte milde, als sie sie sah. Die Erwachsenen applaudierten, während die Kinder auf ihren Stühlen knieten und »O-ma! O-ma!« skandierten.
»Och, ist das nicht entzückend?« Fisher sah sie an und grinste schief. Er steckte die Papiere in das Deckelfach des Aktenkoffers und drehte den Koffer dann herum. »Das wollte ich Ihnen zeigen.«
Ein wütender Windstoß ließ das Gebäude erzittern, und die Lichter im Lokal flackerten. Julia warf einen Blick zum Fenster und sah ihr Spiegelbild in der Scheibe oszillieren – da- weg- da- weg . Fisher drehte den Aktenkoffer so, dass der Deckel zum Raum wies. Seine rechte Hand war dahinter verborgen.
»Da hätten wir es«, sagte er.
In der Hand hielt er eine schwarze Pistole.
65
Wieder ein Windstoß, begleitet von einem lauten Krachen. Eines der Kinder schrie und klammerte sich an seinen Vater. Die Lichter flackerten erneut, gingen aber nicht aus. Die Gäste, die an der Bar ihr Bier tranken, stöhnten beunruhigt auf.
Der Mann, der ihr gegenübersaß, ignorierte das alles, Er starrte sie durch seine lächerliche Brille an, und sie begriff, dass sie nur ein Teil seiner Verkleidung war, genau wie sein Akzent, die zurückgeklatschten Haare und der Bierbauch. Er war kein Journalist, der gekommen war, um Alice Jones‘Geschichte zu verifizieren.
Er war der zweite Mörder.
Er beobachtete sie aufmerksam. Sein Lächeln war abstoßend, seine Augen kalt und glanzlos.
»Ich nehme an, Sie haben erraten, wer ich bin?«
»Ja.« Der Klang ihrer eigenen Stimme überraschte sie. Sie hatte nicht gedacht, dass sie funktionieren würde. Ganz bestimmt hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie so ruhig klingen würde.
»Gut. Also, Sie müssen jetzt schön vernünftig sein. Andernfalls werden eine Menge Leute zu Schaden kommen.« Er deutete mit einem Kopfnicken zur Bar. »Sehen Sie sich doch mal um.«
Julia folgte seiner Aufforderung. Die Geburtstagsgesellschaft sang »Happy Birthday«. Die alte Dame ließ es geduldig über sich ergehen; im Schein der Kerzen wirkte ihr Lächeln ein wenig gezwungen, als ob sie eigentlich viel lieber zu Hause wäre und die Füße hochlegen würde. Die anderen Gäste sahen den Feiernden zu, unterhielten sich oder waren mit ihrem Essen und ihren Getränken beschäftigt.
Niemand hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Niemand sonst wusste, dass ein bewaffneter Mann im Lokal war.
»Ich werde Sie nicht töten«, sagte er. »Aber Sie müssen mit mir kommen, und wir dürfen dabei kein Aufsehen erregen. Sobald es irgendwelchen Stress gibt, schieße ich Ihnen als Erstes ins Bein, damit Sie nicht weglaufen können. Verstanden?«
Sie nickte stumm.
»Als Nächstes werde ich das Barpersonal erschießen, weil die am ehesten versuchen werden, die Polizei anzurufen. Dann werde ich ein paar der Gäste erschießen, um eine Panik auszulösen.« Er blickte sich demonstrativ um, als suchte er nach geeigneten Kandidaten. »Die alte Frau wahrscheinlich. Und mindestens eins von den Kindern. Ich werde auf ihre Gesichter zielen. Das gibt eine Riesenschweinerei, und sie werden vielleicht nicht auf der Stelle tot sein. Solange sie schreien, werden alle anderen zu traumatisiert sein, um reagieren zu könnten. Sie werden uns ganz bestimmt
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