Amok: Thriller (German Edition)
mit den Armen um sich und zappelte hilflos mit den Beinen, wand und wehrte sich wie eine räudige Katze, bis zu dem Moment, als das Licht in ihren Augen erlosch. Ihr Körper erschlaffte und hing in Kendricks Würgegriff wie eine Flickenpuppe, zerrissen und zerlumpt und von niemandem geliebt.
Kendrick hielt sie noch einige Sekunden, als müsste er irgendetwas beweisen. Dann ließ er sie los, und ihr lebloser Körper sank zu Boden und blieb reglos liegen, ein armseliges Häuflein Haut und Knochen.
74
Toby war zum Haus gefahren, doch die Ankunft des Mannes, von dem er annahm, dass es sich um Kendrick handelte, bedeutete, dass er nicht zu seinem Wagen zurückkonnte. Stattdessen musste er einen Umweg durch die Anlagen des Gutshauses machen und zu Fuß zur Farm zurücklaufen. Außer der Notwendigkeit zu überleben hatte nur ein Gedanke Platz in seinem Kopf. Vanessa hatte ihm zur Flucht verholfen, indem sie Craig angegriffen hatte. All ihren Differenzen der letzten Jahre zum Trotz hatte sie sich selbst geopfert, um ihn zu retten.
Vanessa war Decipio.
Es war sonnenklar, jetzt, da er darüber nachdachte. Sogar der verächtliche Ton ihrer E-Mails war ganz charakteristisch, und dennoch hatte er sie nie auch nur einen Moment in Verdacht gehabt. Und George auch nicht, nach seiner Reaktion zu urteilen.
Toby konnte nur staunen, wie gründlich er zum Narren gehalten worden war. Vilner war mit der Beteuerung auf den Lippen gestorben, dass er nichts mit dem Massaker zu tun gehabt habe, und wie es aussah, hatte er wahrscheinlich die Wahrheit gesagt.
Vanessa hatte ihre eigenen, ganz egoistischen Gründe, die Caplans auslöschen zu wollen, aber sie hatte Toby geschickt weisgemacht, dass er es zu seinem eigenen Nutzen tue. Und in den Wochen nach dem Massaker hatte sie in George eine ahnungslose Informationsquelle gehabt. So war Decipio immer über Craigs und Julias Aktivitäten im Bilde gewesen.
Wenn sie doch nur ihre Identität enthüllt hätte, dachte er. So hätten sie ein viel effektiveres Team sein können.
Und welche Ironie, dass sie ihn gerettet hatte, wenn man bedachte, dass er vorgehabt hatte, sie an diesem Abend zu töten – um anschließend George zu zwingen, in einem Abschiedsbrief seine Beteiligung an dem Massaker zu gestehen. Aber leider war ihm dieser verdammte Craig Walker dazwischengekommen, und dann war auch noch Kendrick mit seinen Schlägern aufgekreuzt. Er hätte sich vorhin nicht auf Vilners Handy melden dürfen, sagte er sich. Kendrick zu provozieren hatte sich als schwerer Fehler erwiesen.
Er erreichte das Haus und wollte gerade hineingehen, als seine Panik schlagartig verflog. Sein taktischer Verstand übernahm wieder die Kontrolle, eine kleine Stimme, die ihm dringend riet, einen Moment zu warten. Die ihm riet nachzudenken.
Kendricks Leute würden ihm nachsetzen. Die Farm war das naheliegende Versteck. Nur allzu offensichtlich.
Er nahm einen Umweg und fand Unterschlupf in einem der Nebengebäude – keine Sekunde zu früh. Der Hof wurde in Scheinwerferlicht getaucht, als ein großer Jeep Cherokee vorfuhr und zwei Männer ausstiegen. Beide waren mit Pistolen bewaffnet.
Toby beobachtete sie, heilfroh, dass eine Kombination aus weiser Voraussicht und Glück ihn wieder einmal vor einer drohenden Gefahr gerettet hatte. Wenn er etwas bedauerte, dann nur, dass ihm das Vergnügen entgehen würde, Julia zu töten.
Andererseits würde es ihm zusätzliche Arbeit ersparen.
Julia versteckte sich hinter der Küchentür und sah sich panisch nach irgendeiner Waffe um. Da drängte sich ihr plötzlich eine Frage auf: Wieso hatte Toby die Haustür aufgebrochen?
Dann hörte sie Stimmen im Hausflur. Zwei Männer. Einen kurzen, herrlichen Moment wiegte sie sich in der Hoffnung, dass sie gekommen waren, um sie zu retten, doch irgendein Selbstschutzinstinkt hinderte sie daran, durch Rufen auf sich aufmerksam zu machen. Stattdessen verhielt sie sich ganz still und lauschte.
Als sie Vilner fanden, rief einer der Männer mit einem ausgeprägten Essex-Akzent: »Mann, wie haben sie den denn zugerichtet? Kendrick wird im Dreieck springen.«
Der andere Mann sprach im singenden Tonfall der Karibik. Er reagierte erstaunlich gelassen auf den grausigen Fund. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wegen Vilner allzu viele Tränen vergießen wird.«
»Und wo steckt jetzt Toby?«
»Keine Ahnung. Such das Haus ab.«
Julia erstarrte. Sie war vier oder fünf Meter von der Hintertür entfernt, und die war mit zwei
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