Amok: Thriller (German Edition)
er das Gaspedal durch und wurde fast aus seinem Sitz geschleudert, als die Vorderräder über die zerfurchte Piste hüpften.
Er war sich ziemlich sicher, dass Julia in Richtung Dorf fliehen würde. Als er ihr nachsetzte, stieg jäh die Erinnerung an den 19. Januar in ihm auf. Hilflos hatte er zusehen müssen, wie Carl mit der Schrotflinte auf dem Rücken und der neu erworbenen Pistole in der Hand die Straße ins Dorf entlanggetrabt war. Toby war über die unerwartete Wendung der Ereignisse entsetzt gewesen – aber hatte er nicht auch insgeheim frohlockt über die Spur der Verwüstung, die Carl mit Sicherheit zurücklassen würde?
Die Antwort lautete: Ja. Er hatte es damals gespürt, und er spürte es jetzt wieder, als er nach Chilton hineinfuhr und zwischen dem Dorfplatz und der Kirche anhielt. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Und dann fiel sein Blick auf etwas, das ihm ein Lächeln entlockte. Der Telefonkasten war aufgebrochen worden, genau wie damals im Januar. Kendrick hatte dafür gesorgt, dass das Dorf von der Außenwelt abgeschnitten war.
Toby versuchte sich in die verbliebenen Dorfbewohner hineinzuversetzen. Würde irgendjemand, der mitten während eines wütenden Sturms feststellen musste, dass die Leitungen tot waren, einem unangemeldeten Besucher die Tür aufmachen? Wären sie nach allem, was sie durchgemacht hatten, bereit, einer Wildfremden zu helfen, die in Schwierigkeiten war?
»Nein«, sagte er laut. Keine Chance.
Also, wohin hatte sie sich verkrochen?
»Vanessa hatte recht, nicht wahr?«, sagte Craig. »Sie haben Carl die Pistole besorgt und den Schalldämpfer. War das Massaker Ihre Idee? Haben Sie ihn ins Dorf geschickt?«
»Sie sollten diese Fragen besser nicht stellen«, warnte Kendrick ihn.
»Aber das Resultat war genau das, was Sie wollten?«
Kendricks Schnauben war Antwort genug.
»Und warum sind Sie jetzt hier?«, fragte Craig.
»Weil Toby Mist gebaut hat und Vilner auch. Sie haben einen Schlamassel angerichtet, den ich in Ordnung bringen muss.«
»Damit werden Sie nie durchkommen.«
Kendrick lachte und bemerkte kryptisch: »Ich kenne mich gut genug, und ich denke, ich werde damit durchkommen.« Sein Funkgerät quäkte, und diesmal machte er sich nicht die Mühe, sich abzuwenden. Craig verstand jedes Wort.
»Ja?«
»Wir sind auf der Farm. Jacques und Barrett sind tot, und der Jeep ist weg. Ich schätze, wir haben ihn knapp verfehlt.«
»Er kann noch nicht an der Straßensperre vorbei sein«, sagte Kendrick. »Ladet die Leichen in euer Auto und macht euch auf die Suche nach ihm.«
Craig versuchte seine Miene neutral zu halten. Kendricks Gesicht glühte rot vor Zorn. Er warf sich auf das Sofa und starrte finster an die Decke. Der Wind rüttelte mit einem dumpfen, ächzenden Geräusch an den Fenstern, und die Lichter wurden für ein paar Sekunden dunkler. Craig spannte seine Muskeln an und machte sich zum Sprung bereit, doch da wurde es wieder hell.
Dass Toby frei herumlief, hatte seine guten und schlechten Seiten. Es hielt Kendrick beschäftigt, und es war wahrscheinlich der Grund, weshalb er und George noch am Leben waren. Auf der anderen Seite hatte er wahnsinnige Angst um Julia. Wie lange würde sie sich noch vor Toby verstecken können?
Julia duckte sich und lief quer durch den Garten zum Haus. Der Rasen war mit zerbrochenen Ziegeln übersät. Die Fernsehantenne hing auf halber Höhe am Dach, nur noch von ihrem Kabel gehalten. Die Hintertür war verschlossen, und als Julia hastig die nähere Umgebung absuchte, konnte sie kein geeignetes Versteck für einen Schlüssel entdecken. Sie überlegte, ob sie klopfen sollte, doch das Haus war dunkel und offensichtlich verlassen. Craig musste in Crawley sein, bei seiner Frau und seinen Kindern, geborgen in den eigenen vier Wänden. Wahrscheinlich hatte er noch gar nicht bemerkt, dass sie verschwunden war.
Sie suchte sich ein Stück Ziegel, mit dem sie die Glasscheibe in der Tür einschlagen konnte. Dann wartete sie eine starke Windbö ab, die das Geräusch übertönen würde, und versuchte ihre Hand mit dem Ärmel zu schützen. Das Glas splitterte beim ersten Versuch, und im gleichen Moment rutschte ein weiterer Ziegel vom Dach und zerschellte direkt neben ihr. Julia schrie erschrocken auf, doch das Geräusch wurde vom Wind davongetragen und verlor sich in der Nacht.
Sie steckte die Hand durch das Loch und tastete nach dem Riegel. Als die Tür aufschwang, registrierte sie ein Motorengeräusch, das immer lauter
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