Amok: Thriller (German Edition)
Schlössern gesichert. Sie würde sie nie rechtzeitig aufbekommen. Also drückte sie sich nur ganz flach an die Wand, als schwere Schritte sich näherten. Eine muskelbepackte Gestalt steckte den Kopf in die Küche, sah sich kurz um und zog sich wieder zurück. Sie hörte das Knarren der Treppenstufen, das Quäken eines Funkgeräts.
»Hier ist Jacques«, sagte die karibische Stimme. »Wir sind im Farmhaus. Vilner ist tot. Von Toby noch keine Spur.«
Ein Ruf von oben unterbrach ihn. Julia erkannte, dass sie wohl keine bessere Chance mehr bekommen würde. Sie rückte lautlos vor und wartete noch, bis der zweite Mann nach oben gegangen war. Dann spähte sie in den Flur und sah, dass die Haustür schief in einer einzigen verbliebenen Angel hing. Das war mit Sicherheit der bessere Fluchtweg. Aber sie würde schnell laufen müssen – etwas, was sie nicht tun sollte, und, schlimmer noch, etwas, wozu sie vielleicht gar nicht in der Lage war.
Sie hatte keine Wahl. Sie holte tief Luft und rannte los.
Kendrick stand am Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Der Wind wütete heftiger denn je, und mit jeder neuen Bö flackerte das Licht im Zimmer. Craig schielte zur Tür und versuchte abzuschätzen, wie aussichtsreich ein Fluchtversuch wäre, sollte es plötzlich stockdunkel werden.
Niemand hielt ihn auf, als er sich vorsichtig aufrappelte und sich auf einen Stuhl setzte. Sein Bein hatte aufgehört zu bluten, begann jetzt aber schmerzhaft zu pochen. Er versuchte George zu helfen, doch der wehrte ihn ab und blieb zusammengesunken am Boden liegen. Sein stierer, verständnisloser Blick war unverwandt auf die Leiche seiner Frau gerichtet.
»Sie hat ihm geholfen«, sagte er. »Sie hat ihm geholfen, Laura zu ermorden.«
Craig nickte finster. Er dachte an das, was Vanessa gesagt hatte, und sein Mund wurde trocken, als er an die Frage dachte, die er Kendrick stellen musste.
»Sie wussten, was die beiden vorhatten?«
Kendrick drehte sich zu ihm um und studierte ihn, als wäre er irgendein exotisches Tier, von dem er nicht genau wusste, ob es beißen oder stechen konnte.
»Ich wusste von Toby«, sagte er. »Dass Vanessa die Finger im Spiel hatte, war eine Überraschung.«
»Wann haben Sie es herausgefunden?«
»Gleich zu Anfang. Wir hatten Toby sehr schnell als potenziellen Schwachpunkt identifiziert, als jemanden, den wir uns zunutze machen konnten. Wir durchsuchten routinemäßig seine Wohnung und installierten ein Keylogger-Programm auf seinem Computer. Vanessa kontaktierte ihn über einen anonymen E-Mail-Account und warnte ihn, dass sein Erbe in Gefahr sei.« In seiner Stimme schwang widerwillige Bewunderung. »Wir überwachten ihren Mailwechsel und erfuhren, dass er plante, Carl Forester zu benutzen.«
»Und Sie haben nichts unternommen, um ihn daran zu hindern?« Noch während er sprach, verfluchte Craig sich für diese naive Frage. »Natürlich nicht. Sie sind einen Schritt weiter gegangen. Sie haben selbst Carl für sich eingespannt.«
Kendricks Lächeln war ein Eingeständnis der Wahrheit. Ein elektronisches Piepsen drang aus seiner Jackentasche. Er drehte sich wieder zum Fenster, zog ein leistungsstarkes Walkie-Talkie heraus und sagte: »Kendrick.«
Die Stimme aus dem Lautsprecher klang hektisch und aufgeregt, doch die einzigen Worte, die Craig deutlich verstehen konnte, waren: »Vilner ist tot.« Er wusste nicht, ob er schockiert oder erleichtert sein sollte. War Julia auch dort? War sie in Sicherheit?
Kendrick sagte: »Sucht weiter«, und lauschte dann wieder. Ein Ausruf war zu hören, so deutlich, dass Craig Jacques‘Stimme erkennen konnte.
»Hier ist jemand«, rief er. »Eine Frau.«
Und dann hörten sie nur noch das Krachen eines Schusses.
Toby, der hinter dem Jeep kauerte, glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er Julia aus dem Haus stürzen sah. Irgendwie hatte sie sich befreit und war ihnen entkommen. Gab die Frau denn nie auf?
Einen Augenblick später waren wütende Rufe zu hören, und dann krachten Schüsse. Die Haustür zersplitterte, und im Hof spritzten Kiesel und Erdbrocken auf. Nach der Schussbahn zu schließen, feuerte einer der Männer wild um sich, während er die Treppe hinunterstürmte.
Er sah Julia vorbeilaufen, ihr Gesicht schmerzverzerrt. Ihre Bewegungen wirkten irgendwie unrund, was ihn vermuten ließ, dass sie nicht weit kommen würde. Es wäre ein Kinderspiel, sie einzufangen, dachte er. Zumindest hätte er mit ihr ein Pfand in der Hand. Eine Lebensversicherung.
Seine
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