Amok: Thriller (German Edition)
flogen durch die Luft, und in der mittleren Strebe erschien eine Delle. Noch vier Schläge, und das Loch war so groß, dass sie hindurchklettern konnte.
Mit zitternden Knien, vollgepumpt mit Adrenalin, lief sie die Treppe hinunter. Draußen heulte immer noch der Sturm. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie den Mut aufbrachte, das Wohnzimmer zu betreten, wo sie nur rasch ihre Jacke aufklaubte, ohne allzu lange beim Anblick von Vilners verstümmeltem Leichnam zu verweilen.
Als sie in den Hausflur trat, entdeckte sie ein Telefon auf einem Bord neben der Tür. Sie hob es ab, doch die Leitung war tot. Wahrscheinlich war der Anschluss nach dem Massaker abgeschaltet worden.
Die nächste unliebsame Überraschung war, dass die Haustür sich nicht öffnen ließ. Toby musste sie abgesperrt haben.
Sie wusste es in diesem Moment nicht, doch dieser Umstand rettete ihr das Leben. Etwas rüttelte heftig an der Tür, und irgendwann merkte sie, dass es nicht der Wind war. Ein paar Sekunden lang stand sie wie angewurzelt da und konnte es einfach nicht fassen, dass sie gescheitert war. Es war ihre letzte Chance gewesen, und sie hatte sie nicht genutzt.
Die Tür erzitterte unter einem gewaltigen Schlag, und jetzt erst kam Julia zur Besinnung. Sie machte kehrt und rannte in die Küche, als ein zweiter Schlag durch das ganze Haus hallte und die Tür aufsprang.
Niemand sonst kam George zu Hilfe, also ging Craig auf ihn zu und zog sein verletztes Bein über den Teppich nach. George kam schon wieder zu sich; seine Augen flackerten wie eine erlöschende Glühbirne. Craig half ihm in den Sessel, obwohl er selbst kaum weniger benommen war als der ältere Mann.
Falls Vanessa von der Reaktion ihres Mannes in irgendeiner Weise beunruhigt war, ließ sie es sich nicht anmerken. Im Gegenteil – ihr Blick schien eine gewisse Genugtuung auszudrücken.
»Haben Sie das Massaker geplant?«, fragte er sie.
»Nein. Ich schickte Toby eine anonyme Nachricht und riet ihm, etwas wegen der Caplans zu unternehmen, um sich sein Erbe zu sichern. Es war seine Entscheidung, Carl dafür zu benutzen.«
»Sie haben nicht geholfen, es zu organisieren?«
»Nein.« Sie schnaubte verächtlich. »Ich wünschte, ich hätte es getan.«
Craig schüttelte den Kopf. Er konnte immer noch nicht glauben, dass diese Frau … dass dieser Schatten einer Frau für die Morde verantwortlich war.
»Ist ein ziemlicher Schock, was?«, meinte Kendrick mit gespieltem Ernst. Er schien die Enthüllungen regelrecht zu genießen.
»Woher hatte er die Waffe?«, fragte George Vanessa. »Die Walther mit Schalldämpfer?«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Fragt Toby.«
»Das werden wir«, erwiderte Craig.
»Oder fragt doch ihn «, sagte Vanessa. »Den Mischling.«
Kendrick lachte in sich hinein. »Sie haben ja ein ganz schön freches Mundwerk«, sagte er. »Ich verstehe nicht, wie Sie so lange mit ihr verheiratet bleiben konnten, George. Wo doch die junge Laura Caplan schon sehnsüchtig auf Sie wartete.«
George weigerte sich, Kendrick überhaupt wahrzunehmen. »Wir hatten nie die Absicht, dich zu hintergehen«, sagte er zu seiner Frau. »Bitte, glaub mir das.«
»Sei still, George«, erwiderte Vanessa. »Es ist viel zu spät.« Herrisch wie eh und je griff sie nach ihrem Stock und versuchte aufzustehen. »Ich möchte, dass Sie jetzt alle gehen«, erklärte sie. »Es ist mein Wunsch, in Frieden zu sterben.«
Kendrick erhob sich und deutete eine Verbeugung an. »Lassen Sie mich Ihnen helfen.«
»Nein«, sagte Vanessa, doch Kendrick ignorierte sie. Er trat ihr in den Weg, packte die Hand, die das Messer hielt, und drückte ihr Handgelenk zusammen, bis sie es losließ. Jetzt begriff Craig, warum Kendrick seine Handschuhe nicht ausgezogen hatte.
Mit der anderen Hand umschloss Kendrick Vanessas Kehle. Die Bewegung war so schnell und geschickt, dass niemand eine Chance hatte, sie zu retten. Craig wollte aufspringen, doch im nächsten Moment spürte er einen Pistolenlauf an seinem Hals, und einer der Schläger stand vor ihm. George sah nur hilflos zu, die Augen weit aufgerissen, sein Blick verstört, beinahe irr, als hätte er schon jeden Bezug zur Realität verloren.
Vanessa wog sicherlich keine vierzig Kilo mehr. Kendrick hob sie hoch, bis sie aufrecht stand, und drückte dabei immer fester zu. Dann hob er sie noch höher. Ihr Füße verloren den Kontakt zum Boden, und ihre Augen traten aus den Höhlen. Sie ließ ein schwaches, gurgelndes Stöhnen vernehmen, schlug
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