Amok: Thriller (German Edition)
Monate später entlassen. Jacques beseitigte ihn für mich, und bald schon lebte ich in Trinidad in Saus und Braus, heimgekehrt in den Schoß meiner Familie, von der ich so lange getrennt gewesen war.«
»Sie haben Sie aufgenommen?«, fragte Julia, die sich an den hasserfüllten Blick des Mannes auf dem Zeitungsfoto erinnerte.
»Ich denke, sie hatten ihre Zweifel, besonders die Mutter. Aber sie waren so froh, ihren verlorenen Sohn wiederzuhaben, dass sie glaubten, was sie glauben wollten . Das ist eben die menschliche Natur, nicht wahr, George?« Wieder bohrte er ihm den Pistolenlauf in den Nacken. »Aber damals lag der alte Herr schon im Sterben. Und ich sorgte dafür, dass ›Mama‹ ihm sehr bald nachfolgte.«
»Und mein Vater kannte die Wahrheit?«, fragte Craig.
»Er hätte sie herausgefunden. Er war es ja, der mich ursprünglich hinter Gitter gebracht hatte.« Er lachte. »Als ich hierherkam, hatte ich jahrelang keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet. Erst als das Bauprojekt konkreter wurde, erfuhr ich von der Bürgerinitiative in Chilton. Und wer führte den Protest an? Kein anderer als der gute alte Philip Walker. Vermutlich der einzige Mensch in Großbritannien, der auf den ersten Blick erkennen würde, dass ich nicht Max Kendrick war.«
Craig fühlte, wie eine rasende Wut in ihm aufstieg. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch im gleichen Moment berührten seine Finger kaltes Metall. Er rückte wieder ein kleines Stück zurück.
»Es kam nicht in Frage, dass ich auf das Geschäft verzichtete, also musste er beseitigt werden. Als ich herausfand, dass Toby vorhatte, die Caplans zu ermorden, lieferte mir das eine exzellente Gelegenheit.«
»Aber warum mussten so viele Menschen sterben?«, fragte Julia.
»Es ist nun mal keine exakte Wissenschaft«, erwiderte Kendrick mit einem amüsierten Blitzen in den Augen. »Carl war ja nicht gerade das, was man einen gefestigten Charakter nennt. Wir hatten ihm lediglich gesagt, dass es nicht so aussehen dürfe, als sei Walker das einzige Ziel des Anschlags. Und trotzdem hätte er um ein Haar alles vermasselt. Zum Glück ist Walker noch mal rausgekommen und hat versucht, aufs Neue den Helden zu spielen.« Wieder kicherte er in sich hinein. »Natürlich hatten wir die beruhigende Gewissheit, dass selbst für den Fall, dass eine Verschwörung ans Licht kommen sollte, Toby und eventuell noch die Mathesons diejenigen sein würden, die den Kopf hinhalten mussten.«
»Und Sie haben Abby Clark ermordet, nicht wahr?«, fragte Craig.
»Ich achte sehr streng auf die Wahrung meiner Privatsphäre«, erwiderte Kendrick. »Sie hatte versucht, mit diversen Personen in Trinidad Kontakt aufzunehmen, und ich fand, dass sie der Wahrheit ein bisschen zu nahe gekommen war.«
George schnellte plötzlich nach vorne, und eine Sekunde glaubte Julia, er sei getroffen worden. Dann schrie er: »Erschießen Sie ihn, um Himmels willen. Schießen Sie!«
Die Worte kamen merkwürdig gedehnt und langgezogen aus seinem Mund, wie durch einen Trichter, und obwohl Julia wusste, dass es das einzig Richtige war, verweigerte ihr Körper ihr den Gehorsam. Ein schwarzer Schleier hüllte sie ein, und während sie fiel, hörte sie Pistolen krachen, drei Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen, und sie sagte sich: Wenn das Sterben sich so anfühlt, ist es doch eigentlich gar nicht so schlimm.
Craig musste den Schuss hoch ansetzen, um sicherzustellen, dass er nicht aus Versehen George traf. Er zielte auf Kendricks Kopf, während zugleich Kendrick zuerst auf Julia und dann in Craigs Richtung schoss. Dabei bewegte er sich ein Stück zur Seite, und noch während Craig die Augen schloss und warmes Blut ihm ins Gesicht spritzte, wusste er, dass sein eigener Schuss sein Ziel verfehlt hatte.
Er schlug die Augen auf, stellte erstaunt fest, dass er noch lebte, und sah gerade noch Kendrick aus dem Fenster hechten. Moss lag tot neben ihm, und George war auf Händen und Knien und erbrach sich auf den Teppich. Von Julia war nichts zu sehen.
Craig trat den Stuhl weg, rappelte sich auf und wankte durch das Zimmer. Da sah er sie am Boden liegen, mit dem Gesicht nach unten. Er schrie ihren Namen in die Dunkelheit, doch sie antwortete nicht. Er fiel neben ihr auf die Knie und hob vorsichtig ihren Arm an. Es war kein Blut zu sehen, keine offensichtliche Verletzung, aber erst als er einen Puls tastete, ließ er den angehaltenen Atem stockend entweichen und wagte zu glauben, dass alles noch einmal gut gegangen sein
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