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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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er den nächsten Cash Call.«
    »Ja. Dank Ihrer laienhaften Vorstellung von eben.«
    »Laienhaft?«
    »Genau.« Steuer brüllte jetzt fast, senkte seine Stimme dann aber wieder auf eine Lautstärke, die ein wütender Vater seinem betrunkenen Sohn gegenüber anschlägt, der zu lange ausgeblieben war.
    »Der Täter kennt jeden Ihrer Verhandlungstricks. Sie selbst geben ihm ja sogar noch Nachhilfeunterricht. Mist! Ist Ihnen überhaupt klar, dass im Augenblick alle Radiostationen Berlins und Brandenburgs das Programm von 101Punkt5 live übernommen haben, um die Bevölkerung zu warnen, sich mit der richtigen Parole zu melden?«
    »Sehr gut.«
    »Nichts ist gut. Sie machen das gesamte SEK lächerlich. Sie lassen sich vorführen. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, als ich mich von Götz überreden ließ. Als er sie heute Morgen hier anschleppte, war mir schon übel. Aber ich konnte nicht ahnen, dass ich sofort kotzen müsste. Ich gab Ihnen nach dem Fehlschlag mit dem Scharfschützen eine zweite Chance. Und die haben Sie soeben die Toilette runtergespült. Fest steht: Sie haben versagt, Ira. Sie haben das Ultimatum nur für eine Stunde verschieben können. Der Mann zieht sein Ding durch, egal, wie lange Sie mit ihm rumlabern. Denn er weiß, dass er geliefert ist. Der Irre hat bereits eine Geisel getötet. Damit ist der Damm gebrochen, die entscheidende Hemmschwelle zum Todesakt wurde überschritten. Was wollen Sie jetzt tun? Sie können ihm keinen offenen Vollzug mehr anbieten. Oder Bewährung. Er sitzt ein, lebenslänglich, und genau das weiß er.«
    Ira zählte langsam bis zehn, bevor sie den Redeschwall kommentierte. Weniger, um sich zu beruhigen, als um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Was ist hier los? Was führt Steuer im Schilde? Schön. Er hatte ihr von Anfang an klargemacht, dass er sie nicht dabeihaben wollte. Als sie vorhin zum Ausgang gegangen war, beglückwünschte er sie höhnisch zu ihrer weisen Entscheidung. Doch dann hatte Götz sie am Cola-Automaten überredet weiterzumachen. Steuer ärgerte sich zwar über ihren plötzlichen Meinungsumschwung, doch schließlich ließ er sie doch Kontakt aufnehmen. Wahrscheinlich damit er später sagen konnte, er hätte wirklich alles versucht. Doch jetzt verlor er gleich nach dem ersten Verhandlungsgespräch wieder die Fassung. Warum? Was ist passiert? Iras Gedanken fuhren Achterbahn. Ihr kam es so vor, als ob seine Kritik an ihrer Taktik nur ein Vorwand war. Hatte es etwas damit zu tun, dass Jan ihre verstorbene Tochter erwähnte? Wusste Steuer schon von Kitty? Götz hatte ihr ausdrücklich versichert, dass er mit niemandem darüber sprechen würde.
    Aber vielleicht ist es schon durchgesickert? Nein. Dann würde Steuer mich in Grund und Boden rammen. Das alles ergab keinen Sinn.
    »Sie übersehen eins«, sagte Ira, als sie mit dem innerlichen Zählen bei acht angekommen war. »Ich habe mich vorhin geirrt. Wir können den Mann doch stoppen. Die Verhandlung war bereits nach den ersten Minuten sehr erfolgreich.«
    »Pah«, schnaubte Steuer.
    »Doch. Ich dachte zuerst, er will nur Aufmerksamkeit. Doch das stimmt nicht. Ich habe mich geirrt. Der Mann hat ein Motiv, und wir kennen es jetzt. Leoni. Er sucht seine Freundin. Es ist ganz einfach. Wir müssen nur diese Frau finden und zu ihm bringen.«
    Ira deutete mit einem Nicken auf den Bildschirm, auf dem immer noch Leonis Foto zu sehen war. Herzberg hatte bereits einen Ausdruck gemacht und ihn zu dem Bild von Jan an das Flipchart gepinnt.
    »Tja, und das dürfte ein wenig schwierig werden, meine Liebe«, sagte Steuer sarkastisch und wischte sich mit der blanken Hand den Schweiß von der Stirn. »Warum?«
    »Ganz einfach. Weil diese Frau seit acht Monaten tot ist.« Ira war schlagartig ernüchtert, ihre Lippen formten ein lautloses »Oh!«.
    »Begreifen Sie jetzt, warum Sie hier nichts mehr ausrichten können? Sie verhandeln gerade mit einem psychopathischen Massenmörder. Der lebt in einer anderen Welt und spricht eine andere Sprache als Sie, Ira.« Ira drückte mit der belegten Zunge von innen gegen ihre Zähne, als wäre das die einzige Möglichkeit, ihren Mund zu öffnen.
    »Was werden Sie also tun?«
    »Das, was ich am besten kann. Die Dinge im Sturm erledigen.«
    Als ob es einer lautmalerischen Unterstützung seiner Worte bedurft hätte, zischte ein unverständlicher Wortschwall aus Steuers Funkgerät. »Ja?«
    »... besten schauen Sie sich ... mal an«, hörte Ira bruchstückhaft die Sätze

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