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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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irgendeines wichtigtuerischen Soko-Beamten mit. Dann etwas klarer: »Ich glaube, wir sind da auf etwas gestoßen.«
    »Was denn?«
    Steuer wartete ungeduldig die Antwort ab, stellte eine kurze Nachfrage und verließ unmittelbar danach die Verhandlungszentrale. Ira blieb allein zurück. Ein Gefühl der Einsamkeit überwältigte Ira, und sie begriff erst nach einer Weile, was sie wirklich gehört hatte: »Es gibt hier eine Unregelmäßigkeit.«
    »Eine Unregelmäßigkeit?«
    »>Ja, mit der Mitarbeiterliste.«

4.
    »Was ist hier los?«
    An jedem Wort, das der Oberstaatsanwalt in sein Reinickendorfer Arbeitszimmer spuckte, klebte eine Mischung aus Abscheu und Fassungslosigkeit. »Wie bitte?« Die herbeigeeilte kroatische Haushälterin ließ ihren unruhigen Blick ängstlich über die erlesene Inneneinrichtung gleiten, was Johannes Faust nur noch mehr verärgerte. Blöde Kuh. Natürlich tat sie wieder so, als ob nichts wäre.
    »Wer war hier in meinem Studierzimmer?« Faust sah von oben auf sie herab. Im Vergleich zu seiner groß gewachsenen, hageren Gestalt wirkte Maria neben dem »Herrn Doktor« wie ein Gartenzwerg mit Schürze und Wischmopp.
    »Habe ich Ihnen nicht ausdrücklich verboten, das Studierzimmer alleine zu betreten?«, fragte er drohend. Faust zog seine grauen Augenbrauen so fest zusammen, dass seine sonst eher knochige Stirn vollkommen in Falten lag. Tatsächlich durfte Maria hier nur putzen, wenn er dabei anwesend war, und bisher hielt sie sich immer streng an seine Anweisungen. So wie an den »Putzplan«, den er für sie aufgestellt hatte und dessen Abfolge sie penibel und in der vorgegebenen Reihenfolge abarbeiten musste. Erst die Landhausdielen wischen (nebelfeucht, nicht nass!), dann den Papierkorb leeren und schließlich Wände, Decken und Sekretär abwedeln.
    »Wer war hier? Raus mit der Sprache?«, fragte Faust erneut. Seine Stimme hatte jetzt jenen strengen Ton angenommen, den sonst nur Angeklagte im Gerichtssaal fürchten mussten. Dabei hielt er wie bei der Beantragung des Strafmaßes seinen Kopf so, dass die randlose Brille von seiner Nase zu rutschen drohte.
    »Sie ist da gewesen«, gab die Haushälterin endlich zu. »Sie hat gesagt, sie darf das.«
    »Wer sie?« »Das Fräulein.«
    Natürlich. So impertinent konnte nur Regina sein. Faust ging zu der Regalwand und schüttelte seinen Kopf. Er hasste Unordnung. Selbst jetzt, wo er in den Vorbereitungen für den vielleicht größten Fall seiner Karriere steckte, befand sich nicht eine einzige Akte auf seinem Schreibtisch. Und jetzt das! Wo er doch immer so penibel darauf achtete, dass all seine juristischen Nachschlagewerke ordentlich, nach Ausgaben aufgereiht im Regal standen und - das war die Hauptsache - allesamt bündig abschlossen. Seine Exfrau hatte die Frechheit besessen, den braunen NJW-Band 1989 I einfach um drei Zentimeter nach hinten zu rücken. Weil sie wusste, dass ihn das zur Weißglut trieb. Und um ihm zu zeigen, dass sie da gewesen war. Unangemeldet. »Was wollte sie?«
    »Hat sie nicht gesagt. Sie hat gewartet, und als Sie nicht kamen, ist sie wieder gegangen.«
    »Hmm.« Das Parkett ächzte unter den genagelten Schuhen, als Faust mit zwei großen Schritten an seinen Schreibtisch trat. Er zog die oberste, kupferbeschlagene Schublade auf und registrierte mit einem knappen Blick, dass das Geldbündel noch in der kleinen Schatulle lag. Nicht, dass es ihn finanziell getroffen hätte. Geld hatte er ja seit kurzem mehr als genug. Aber es ging um das Prinzip. Das letzte Mal hatte sie sich einfach seinen Notgroschen genommen und war mit den fünftausend Euro verschwunden. »Als kleine Entschädigung für unsere Ehe«, hatte sie ihm auf einen Bogen seines eigenen Briefpapiers gekritzelt. Miststück! Als ob die monatlichen Zahlungen nicht mehr als genug waren für die wenigen glücklichen Stunden, die er bei ihr in vierzehn Jahren hatte erbetteln können.
    »Soll ich bleiben?«
    Sein Handy klingelte im selben Moment, als Maria schüchtern ihre Frage an ihn richtete.
    Erst war er irritiert. Dann wurde ihm übel. Das Mobiltelefon hatte Faust bisher nur einmal benutzen müssen. Und auch das nur zur Probe, als man ihn mit den Funktionen vertraut machte. Faust hasste die moderne Kommunikationstechnik und entzog sich möglichst allem, was nur entfernt nach Internet, E-Mail oder Funktelefon aussah. Doch gerade jetzt musste er immer erreichbar sein. Hatte sich sogar einen Laptop zugelegt. Zu viel stand zurzeit auf dem Spiel, so kurz vor dem Prozess.

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