Amore siciliano
absolutes Vorbild, was ökologisch einwandfreien Anbau und ebensolche Tierhaltung angeht. Er würde nie Chemie benutzen.«
»Was für Tiere hat er denn?«, fragte ich.
»Oh, ich kenne das englische Wort dafür nicht. Sie heißen quaglia. Sehen aus wie ganz kleine Hühner.«
»Zwerghühner?«, vermutete Malte.
»Oder Wachteln«, warf Dieter ein.
»Das können wir uns ja mal anschauen«, schlug Ole vor.
»Ich glaube nicht, dass er das möchte«, meinte Simona. »Er ist lieber für sich und hat es nicht so gern, wenn Fremde auf seinen Hof kommen. Aber ihr könnt ihn ja einmal fragen, er ist häufig bei uns zu Besuch.« Wieder lächelte Simona leicht. Nachtigall, ick hör dir trapsen, da lief doch was zwischen den Nachbarn, war ich mir sicher.
»Fragen kostet nüscht«, fand Dieter. »Mehr als nein sagen kann er ja nich.«
Ich überlegte, was das wohl für ein seltsamer Mann sein musste, der seinen Beruf für die Fortführung der Familientradition hintangestellt hatte, mit irgendwelchem Federvieh allein auf einem riesigen Bauernhof lebte und arbeitete und keine Fremden mochte. Das musste ein verschrobener Typ sein.
Ich dachte an meine eigene Familie: Papa war Jurist und hatte mit einem Studienfreund zusammen die Immobilienfirma »Herzogenaurich & Partner« gegründet, womit er den Grundstock für das Familienvermögen gelegt hatte. Mutter war reich geboren und hatte zwar ihr Diplom in Pädagogik gemacht, im Großen und Ganzen ihr Leben jedoch mit Kindergebären und Personaldirigieren verbracht. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie auch das Kinderkriegen jemand anderem überlassen, aber Papa wollte seine Gene mit ihr fortpflanzen, und sie hatte ihm schließlich, nach dem »Fehlversuch« mit mir, den ersehnten Erben und Nachfolger, Florian, geboren. Dass mein Bruder ins Immobiliengeschäft einsteigen würde, war praktisch Gesetz.
Ich hätte mir nicht vorstellen können, meine Träume für das Familiengeschäft aufzugeben, obwohl ich als Erstgeborene ebenso gut bei »Herzogenaurich & Partner« hätte einsteigen können. Freilich nur nach einem entsprechenden Studium. Aber ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Und der hatte mich nun nach Italien geführt. Das war doch keine schlechte Ausgangslage.
Simona erklärte uns, dass Olivenbäume von April bis Juni in weißer und gelber Pracht blühen. Die Ernte beginnt im Spätherbst und geht oft bis weit in den Februarhinein. Anschließend werden die Bäume beschnitten, um ihr Wachstum zu beschränken und eine ertragreiche Ernte im Folgejahr zu ermöglichen. Während unserer Führung durch die Plantage der de Vivos sahen wir einige Arbeiter mit Äxten und Sägen, die die Bäume in einem abgelegeneren Teil beschnitten. Ein Knochenjob.
Die grünen Oliven, die mir persönlich besser schmeckten, waren eigentlich unreife Früchte, erklärte Simona. Vollständig gereift, haben Oliven nämlich dunkelviolette, braune und schwarze Farbtöne.
Ole bedauerte, dass die Ernte auf dem Hof bereits vorüber war, er hätte gern die Bauern bei der Arbeit gefilmt. »Solche Szenen machen einen Dokumentarfilm viel lebendiger, wenn man sieht, wie die einzelnen Arbeitsschritte von Menschen erledigt werden – und nicht nur in einem Interview erklärt werden«, bedauerte er.
»Wir könnten die Ernte ja nachspielen lassen«, schlug ich vor, und Malte tippte sich mit dem Finger an die Stirn: »Klar, an frisch beschnittenen Bäumen, die keine Früchte tragen!«
»Okay«, gab ich zu, »aber dann filmen wir eben einfach andere Arbeitssituationen, wie das Zurückschneiden der Bäume oder die Aussaat von Gemüse. Die Bauern haben ja außer der Ernte noch mehr zu tun.«
»Das werden wir auch«, meinte Malte. »Dieter hat vor, die Herstellung von Olivenöl genau zu dokumentieren, denn das ist ja nun mal eines der Hauptprodukte dieser Insel.«
Wir tauschten bei einer Tasse Espresso unsere ersten Eindrücke aus. Ole war total begeistert von SimonasFachwissen und ihrem Einsatz für den Familienbesitz, ich war total begeistert von der Schönheit der Natur, dem Duft der Pflanzen und der Naturverbundenheit der Menschen auf dieser Insel. Malte war total genervt, weil er den ganzen Tag Englisch sprechen musste. Ich hoffte, dass sich seine Ablehnung in den nächsten Tagen legen würde.
Am späten Vormittag brachen wir Richtung Catania auf und nahmen unterwegs einen kleinen Imbiss in einer Tavola calda bei Acireale ein. Dann suchten wir den ersten der beiden Agriturismi am Fuße des Vulkans auf. Der Biohof
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