Amore siciliano
tranken Espresso und Acqua minerale, rauchten ein paar Zigaretten und beobachteten ein Vogelpärchen beim Nestbau in einer großen Pinie, bevor wir beschlossen, nachzuschauen, wo die anderen blieben.
Wir betraten das Hauptgebäude und sahen uns um. Eine Gruppe junger Leute in Wanderkleidung saß an einem runden Tisch, trank Wein und unterhielt sich wild durcheinander. Neben sich hatten sie große schwere Treckingrucksäcke stehen.
»Holländer«, zischte ich Ole zu, als ich das Stimmengewirr gefiltert hatte. »Die machen sicher nur einen Zwischenstopp und wandern noch auf den Ätna oder so.«
»Logisch, wo sollen die zu Hause auch wandern gehen«, lästerte Ole. »Ist ja alles flach im Käseland.«
»Siehst du die anderen irgendwo?«
»Nein, aber wir können ja fragen.«
Die Holländer konnten fast fließend Deutsch und wiesen uns freundlich den Weg zu Dieter und Malte. Signor Lapi hatte die beiden in das hinterste Hinterzimmer zu einem gemütlichen Plausch und caffè eingeladen. Die beiden schienen sichtlich erleichtert, als wir nach kurzem Klopfen eintraten. Sie nutzten unser Auftauchen, ummit einem demonstrativen Blick auf die Armbanduhr zu signalisieren, dass wir nun weiterfahren mussten.
Signor Lapi verabschiedete sich überschwänglich und betonte, dass er sich auf den Drehtag freue und seine ganze Familie dabei sein würde.
»Puh, was für ein Schwätzer«, stöhnte Malte, als wir wieder im Mietwagen saßen. »Es wollte und wollte kein Ende nehmen. Mann, ich glaube, das waren die längsten Stunden meines Lebens!«
»Wieso, was war denn so schlimm?«, fragte ich verwundert. »Er schien zwar recht redselig, aber wir brauchen ja auch viele Informationen von den Betreibern der Höfe. Ist doch besser, als wenn die Leute uns gegenüber verschlossen wären.«
Dieter lachte kurz auf. »Verschlossen, det is gut! Da ist der gute Mann meilenweit von entfernt.«
»Dieser Typ hat uns nicht nur vom Hof und von den Traditionen seiner Familie erzählt, sondern angefangen bei den Abenteuern von Opas Hund bis zum Einsatz seines Onkels im Zweiten Weltkrieg von allem, was wir nicht wissen wollten«, brach es aus Malte heraus. »Offenbar war er dermaßen glücklich darüber, dass sich jemand für seine Geschichte interessierte, dass er gar nicht mehr aufhören konnte.«
Er nieste wie zur Bekräftigung seines Leids.
Ich strich ihm mitleidig über die Wange: »Hast du dich erkältet, du Armer?«
»Nee, das ist eine Palaver-Allergie!«
»Mal schauen, wie die Galimis drauf sind, vielleicht sind wir da ja schneller wieder raus«, tröstete Ole.
So fuhren wir von Il Limoneto aus die Landstraße entlang nach Calatabiano zum Agriturismo Galimi. Von dort aus sah man den Ätna aus einer anderen, aber nicht weniger schönen Perspektive. Der Boden in Vulkannähe verhalf nahezu jeder Pflanze dieser Erde zu gutem Gedeihen, hieß es. Egal, was von anderen Völkern im Laufe der Jahrtausende in Sizilien eingeführt worden war – es hatte begonnen, Wurzeln zu schlagen und Früchte zu tragen. Auf dem Gut Galimi gab es in erster Linie Obstbäume und einen großen Zitronenhain, zudem Gemüsebeete und Kräuter für den Hausgebrauch.
Wir bogen von der Via Pasteria ab und blickten auf sechs Hektar blühende Landschaft. Das Meer lag nur anderthalb Kilometer entfernt, man konnte es zwar nicht sehen, wohl aber erahnen.
Der Betreiber dieses Agriturismo war das genaue Gegenteil von Fabrizio Lapi. Er war ein großer, schlanker Mann und hatte volles, graumeliertes Haar. Seine Füße steckten in hohen Feldstiefeln und unter seiner Latzcordhose trug er ein Karohemd. Er sah aus, als käme er geradewegs von der Plantagenarbeit.
In wenigen Worten erklärte er uns, was es zu seinem Gut zu sagen gab: Gaetano Galimis Spezialität war die Herstellung von Limoncello, dem klebrig-süßen gelben Zitronenlikör, den man zumeist als Aperitif trank. Mit dessen Verkauf verdiente er den Großteil seines Lebensunterhalts. Seine Frau war bereits verstorben, aber seine drei Töchter kümmerten sich um die Gäste und die Biotouristen, machten die Zimmer und versorgten die Tiere. Malte und Dieter brauchten keine halbe Stunde, um allewichtigen Informationen zu bekommen und einen weiteren Drehtermin mit Signor Galimi zu vereinbaren. Auch ein Blick auf den recht strukturiert angebauten Zitronenhain machte klar, dass wir hier nur wenige Außenaufnahmen zu machen brauchten. Interessanter war der Blick in den Keller, in dem das Getränk des Hauses hergestellt wurde.
Weitere Kostenlose Bücher