Hier hielten wir uns etwas länger auf und durften sogar eine Kostprobe nehmen.
»Trink«, sagte Ole aufmunternd zu Malte, »hilft bestimmt gegen den Schnupfen.«
»Det tötet alles ab«, nickte Dieter.
Mir schmeckte der Likör. »Wer fährt?«, fragte ich und ließ mir ein zweites Glas einschenken.
»Non ti preoccupare! Keine Sorge, mein Limoncello hat nur siebzehn Prozent«, erklärte Galimi, der langsam aufzutauen schien. »Ich gebe euch gern Rabatt, schaut euch nur um in meinem Geschäft.«
Aber dafür waren wir ja nun auch nicht hier, wie Dieter uns dezent erinnerte: »Vielen Dank, Signor, wir werden es in Betracht ziehen. Auf jeden Fall würden wir hier gern wie besprochen die Aufnahmen von Produktion und Anbau machen.«
»Aber mein Rezept bekommt ihr nicht«, betonte der Likörmeister. »Nur Bilder.«
»Wir melden uns dann, ein paar Tage bevor wir drehen möchten, bei Ihnen«, schloss Malte, und mit einem bedauernden Blick auf die angebrochene Flasche, die zurückblieb, verabschiedeten wir uns vom Agriturismo Galimi.
Rund um den Ätna gab es noch wesentlich mehr Höfe,die man sich anschauen konnte, doch mehr als zwei wären an diesem Tag nicht zu schaffen gewesen. So machten wir uns nach Sonnenuntergang auf den Rückweg nach I Moresani und erreichten den Hof gegen neun. Es nieselte.
Nichts mit Wein und Kuschelei am Strand, dachte ich bedauernd.
»Ich dachte, Italien sei das Land der Sonne«, murmelte Malte verdrossen und nieste zum geschätzt hundertsten Mal.
»Macht nicht zu lang«, mahnte Dieter. »Wir brechen morgen früh gleich wieder auf Richtung Ätna, drei Höfe warten auf unsere Fragen.« Dann verabschiedete er sich.
»Ich bin sofort weg, muss mich auskurieren«, erklärte mein Freund.
Er war mittlerweile richtig verschnupft und verschwand tatsächlich gleich in meinem Zimmer, aus dem ich ihn nur mit Müh und Not wieder rauswerfen konnte. Aber schließlich wollte ich mich nicht unnötigerweise anstecken, weil er mir nachts ins Gesicht nieste, und das sah er auch ein. Außerdem fand ich es ganz angenehm, das Zimmer für mich zu haben. Ich warf mich aufs Bett und kramte mein Laptop samt Web’n’walk-Stick hervor. Keine Neuigkeiten auf Facebook, dafür aber eine Mail von Charly:
From:
[email protected]To:
[email protected]Date: March 23rd, 20:13h
Subject: Ohne Dich
Alex,
jetzt bist Du schon zwei Tage fort, und ich vermisse Dich stündlich mehr. Während ich hier für die »Mimikprüfung« büffele und vor dem Spiegel Grimassen schneide, liegst Du wahrscheinlich bei Mondschein am Strand und ein gutgebauter italienischer Obstbauer legt Dir seinen grauen Strickpullover um die Schultern. Vergiss mich nicht in diesem Augenblicke höchsten Glücks,
Deine C.
Darling – schrieb ich zurück – nix Strand und nix Obstbauer, stattdessen Regen und ein niesender, schlechtgelaunter Freund. Außerdem sieht das hier nach mächtig viel Arbeit aus. Ich vermisse Dich und Deine Grimassen auch. Und den ganzen Tag wird nur Englisch gesprochen, dabei hab ich doch extra wochenlang Italienisch gelernt. Werde jetzt noch ein Glas Wein an der Bar trinken gehen, vielleicht findet sich dort ein geeigneter Gesprächspartner zum Üben.
Saluti e buonanotte,
Deine A.
Kapitel 5: INGENUITÀ
An der Bar saßen Ole und der ältere Herr, der schon bei unserer Ankunft dort gesessen hatte. Michele stand selbst hinterm Tresen. Simona, die Führungen und Freizeitplanung der Gäste betreute, war am Nachmittag mit einer Gruppe Belgierinnen zu einem dreitägigen Ausflug zu Pferd aufgebrochen, wie Michele uns erzählte. Nonna Margherita de Vivo war eindeutig die Köchin des Hauses. Was aber trieb eigentlich die Hausherrin, die Mutter von Simona, den ganzen Tag, dass man sie gar nicht zu Gesicht bekam?
Ich bestellte ein Glas Rotwein und ließ mich neben Ole nieder. Der war frustriert, weil er versucht hatte, mit den beiden Italienern ins Gespräch zu kommen, aber an den Sprachbarrieren gescheitert war. Zumindest hatten sie ihm nicht geantwortet.
»Ein bisschen blöd ist das schon«, meinte er. »Mein Italienisch lässt sehr zu wünschen übrig, und die Leute hier können kein Deutsch und nur wenig Englisch. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer wird, Kontakte zu knüpfen. Zum Glück bin ich nur für die Bilder zuständig und nicht für die Recherchen.«
»Ich glaube, wenn wir erst einmal ein paar Tage hiersind, werden wir schon das Wichtigste verstehen. Und Simona spricht