Amore siciliano
Touristen zu vermieten.«
»So wie ihr«, meinte Ole, und Simona schenkte ihm ein freundliches Nicken.
»Meine Familie macht das seit ein paar Jahren. Seit wir durch eine schlechte Ernte beinahe den ganzen Hof verloren haben, besteht mein Vater auf diesem zweiten Standbein. Aber unsere Haupteinnahmequelle ist und bleibt das Olivenöl, das wir in einer Mühle bei Taormina pressen lassen. Es gibt viele berühmte italienische Olivenöle. Hier auf Sizilien sind es vor allem sehr geschmacksintensive Sorten wie Biancolilla und Nocellara del Belice. Vielleicht kennt ihr die schon?«
»Das Biancolilla habe ich mal in einem Spezialitätengeschäft in Berlin gekauft«, erzählte Ole und bekam dafür wieder ein Lächeln geschenkt.
Ole hatte sich bereits vor der Reise über die Produkte der Höfe in der Region informiert. Ich war nicht so gut vorbereitet, alles, was ich über den Olivenbaum wusste, war, dass es ein Ölbaum war, der hauptsächlich in der Mittelmeerregion vorkam: Spanien, Griechenland, aber auch Nordafrika. Aus der italienischen Küche jedenfalls war das Olivenöl nicht wegzudenken, und auch Charly und ich kochten viel damit, weil wir uns einredeten, dass es gesünder war als Sonnenblumenöl. Aber die einzelnen Sorten vom Namen oder gar Geschmack zu unterscheiden, dafür war ich nicht Gourmet genug. Deshalb lauschte ich Simona gespannt bei ihren Ausführungen.
Da sie als Einzige in ihrer Familie wirklich fließend Englisch sprach, hatte die Tochter des Hauses die Aufgabe übernommen, uns einen Überblick über Land und Anbau auf I Moresani zu verschaffen. Gleich nach dem Frühstück war sie deshalb mit uns aufgebrochen und führte uns über die Olivenplantage hin zu den Zitronenbäumen und Tomatensetzlingen, die windgeschützt in einer alten Scheune ohne Dach nach Frühlingssonne gierten. Es waren ungefähr sechzehn Grad, und ich hatte mir Jeans und ein leichtes Sweatshirt übergezogen.
Malte nieste. Er hatte sich bei unserem Ausflug zum Meer offenbar verkühlt.
»Oft haben wir um diese Jahreszeit schon höhere Temperaturen«, sagte Simona beinahe entschuldigend. »Doch in diesem Jahr hatten wir einen besonders harten Winter. Wir sind gerade erst vor zwei Wochen mit der Ernte fertig geworden. Es blüht auch noch nicht viel, die Blütezeit der Olivenbäume beginnt eigentlich erst Mittebis Ende April. Ich hoffe, ihr könnt dennoch schöne Bilder machen.«
»Keine Sorge«, winkte Ole ab. »Kaum etwas weckt mehr Begeisterung für die Schönheit der Natur als … äh …«, er suchte nach den richtigen Worten und fand sie schließlich: »… erblühende Knospen.« Er lächelte unsere Gastgeberin schüchtern an und wurde ein wenig rot, als sie den Blick erwiderte. »Die Zitronenbäume sind genau richtig!«, fügte er rasch hinzu.
Malte stieß mich grinsend in die Seite. »Erblühende Knospen«, kicherte er. »Jaja, Italien, das Land der Liebe«, raunte er mir zu, als wir weitergingen. »Sieht ganz danach aus, dass unser lieber Ole ein Auge auf die Blüte der Familie de Vivo geworfen hat.«
»Lass ihn«, meinte ich. »Simona ist doch nett.«
»Ist mir ja auch egal, solange es hier nicht noch einen Sohn des Hauses gibt, der meiner Freundin den Kopf verdreht.«
Das war kaum vorstellbar. Zum einen war ich ein treu veranlagter Mensch, zum anderen hatte ich nachgelesen, dass auf I Moresani die komplette Familie de Vivo wohnte, und die bestand aus Papa Michele, Mama Lucia, Nonna Margherita und Tochter Simona. Kein Sohn wurde in dem Hausprospekt erwähnt. Wenn, dann hätte er sicher auch dieses seidig glänzende tiefschwarze Haar und die tollen braunen Augen gehabt wie Simona.
Wir wanderten weiter durch die Reihen der mächtigen silbrig grünen Olivenbäume mit ihren stark verzweigten Blätterkronen. Die knorrigen ineinandergreifenden Äste der Bäume wirkten wie Gestalten aus
Der Herr der Ringe
.Ich hatte in der Hofbroschüre gelesen, dass Olivenbäume bis zu zwanzig Meter hoch wachsen und Hunderte Jahre alt werden konnten, aber die Bäume hier waren offensichtlich alle noch Küken und nur wenige über fünf Meter hoch.
Simona erklärte uns, dass die Wurzeln der Olivenbäume sehr tief in den Grund wuchsen. Weil es im Sommer hier oft wochenlang keinen Tropfen regnete, war es wichtig, dass die Bäume auch an tiefer gelegene Quellen kamen.
»Die Bäume haben noch einen zweiten Trick, um sich vor dem Austrocknen zu schützen«, erklärte Simona, während Ole das gefühlt vierzigste Foto von ihr schoss. »Seht ihr
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