Amore siciliano
die feinen Härchen auf der Rückseite der Blätter? Die fangen austretende Säfte auf und führen sie zurück ins Blatt.«
Ich war beeindruckt. Die Fauna schien für jedes Problem eine einfache Lösung parat zu haben. Ole knipste die Rückseite eines Blattes, das ich ihm unter die Linse hielt, während Malte, als niemand hinsah, eine Blüte von einem Zitronenbaum pflückte, um sie mir ins Haar zu schieben. Das war eine süße Geste, aber leider rutschte die Blüte schon nach wenigen Schritten zwischen meinen Strähnen hindurch und fiel zu Boden. Wer sich aber offenbar an meinem Haar festgehalten hatte, war eine kleine Spinne, die sich nun vor meinen Augen abseilte. Ich bekam einen mittelhysterischen Anfall und sprang zappelnd zwischen den Bäumen umher: »Iiihhh, was zum Teufel ist das? Mach sie weg, mach sie weg!«, schrie ich Malte an, und der beeilte sich, das Ungetüm vonmeiner Nase zu nehmen und unter einem Baum abzusetzen.
»Hab dich doch nicht so«, meinte er grinsend. »Die war doch ganz niedlich. Ich denke, du magst Tiere?«
»Mögen heißt noch lange nicht, mein Gesicht mit ihnen teilen zu wollen!« Natürlich mochte ich Spinnen, auf eine rein theoretische Art allerdings. Sie waren geschickt und nützlich, und ich hatte auch aufgehört, sie den Tod im Staubsauger finden zu lassen, wenn sie sich in meine Wohnung verirrten, sondern fing sie immer vorsichtig ein und setzte sie raus. Aber allein bei dem Gedanken an die acht Beinchen, die mir eben noch über die Augenbraue gekrabbelt waren, lief mir ein Schauer den Rücken herunter. Brrr.
Dieter und Ole sahen mich irritiert an, einzig Simona hatte sich von meinem Auftritt, der mir nun doch etwas unangenehm war, nicht ablenken lassen. Sie führte uns bis zum Rand der Plantage, wo sich hinter einem kleinen Steinwall ein sonnenbeschienener Hang erstreckte.
»Wir haben große Pläne für die Zukunft unseres Familienbetriebes«, fuhr sie fort. »Zu dem alten Castello gehört neben diesen vier Hektar Land, das wir, wie ihr sehen konntet, hauptsächlich für den Olivenanbau nutzen, noch dieser ehemalige Weinberg. Mein Urgroßvater Giuliano hat dort viele Jahrzehnte eine wunderbare Rebsorte angepflanzt, die er auf einem Weingut bei Catania zu unserem Hauswein verarbeiten ließ. Doch nach seinem Tod geriet der Wein in Vergessenheit, und das Land am Weinberg liegt seitdem brach. Doch nun haben Papa und ich beschlossen, diesen Hügel wieder zum Leben zuerwecken, um einen eigenen, ganz besonderen Prosecco herzustellen. In diesem Frühjahr werden wir zum ersten Mal wieder Rebstöcke auspflanzen. Und in ein paar Jahren können wir unseren Gästen dann unseren eigenen Prosecco servieren.«
Der Stolz in Simonas Stimme war nicht zu überhören. Zu Recht: In meiner Familie wäre es undenkbar, dass alle unter einem Dach lebten, gemeinsam arbeiteten und dabei noch etwas so Angenehmes herauskäme. Ein selbst produzierter Prosecco verkaufte sich sicher gut an die Feriengäste.
»Gehören die Felder dort auch noch zu eurem Hof?«, fragte Dieter und wies mit ausgestreckter Hand auf eine weitere angrenzende Olivenplantage.
Die junge Italienerin schüttelte den Kopf. »Nein, das sind die Bäume unseres Nachbarn, Signor Paolo di Gioia.«
»Betreibt er auch einen Agriturismo?«, fragte ich und hielt nach einem Wohngebäude Ausschau. Doch die Olivenbäume verdeckten die Sicht.
»Nein, keine Vermietung, nur Anbau. Paolo hat nur einen Erntehelfer, ansonsten macht er alles allein. Er beliefert Märkte und kleinere Geschäfte in der Umgebung. Eigentlich ist er gar kein Landwirt, sondern Geologe. Aber er hat seinem Vater versprochen, den Hof der Familie weiterzuführen, und so hat er seinen Beruf erst einmal hintangestellt.«
Täuschte ich mich, oder huschte ein leichtes Lächeln über Simonas Gesicht, als sie von ihrem Nachbarn sprach?
»Also könnten wir dort vielleicht auch drehen? Es seidenn, der Typ macht keinen biologischen Anbau«, fragte Malte.
»Muss er doch, oder?«, meinte Dieter. »Wenn die Höfe so dicht beieinanderliegen, darf er doch zumindest kein genverändertes Saatgut oder Insektenschutzmittel oder so verwenden.«
»Das stimmt«, nickte Simona. »Zwischen normaler Landwirtschaft und von der AIAB ausgezeichneten Biohöfen sollte ein Mindestabstand eingehalten werden. Zum Glück ist das in unserer Region nicht nötig, weil alle sich um Bioanbau bemühen – allerdings wurde nicht jeder Hof zertifiziert. Aber hier brauchen wir uns nicht zu sorgen, Paolo ist ein
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