Amore siciliano
Il Limoneto in der Via D’Amico lag direkt an der ionischen Küste und umfasste mehrere Hektar Land. Dem Reisenden das Gefühl vom Landleben, von der Natur, den einheimischen Speisen und Traditionen zu vermitteln war Ziel dieser Agriturismo-Bewegung, die längst auch in anderen europäischen Ländern betrieben wurde. Selbst im Berliner Umland gibt es solche Urlaubsbauernhöfe. Sizilien aber ist die Hochburg der Kombination von Bio- und Gasthof. Der optimale Stützpunkt für unsere Dokumentation.
Der Hofeigner Fabrizio Lapi war vorab über unseren Besuch informiert worden und schien sich über die kostenlose Werbung im deutschen Fernsehen zu freuen.
»Hab ich dir doch gesagt«, raunte ich Malte zu. »Die sind hier froh, wenn sich ein Fernsehteam aus Deutschland für sie interessiert.«
»Abwarten«, murmelte mein Freund.
Signor Lapi belegte Dieter und Malte sofort mit Beschlag, so dass Ole und ich ein wenig uns selbst überlassendurch die Felder wanderten, um nach guten Spots zu suchen. Das war nicht weiter schwierig, denn von jedem einzelnen Flecken hatte man sowohl auf den Ätna als auch auf das Meer eine phantastische Aussicht. Obwohl der Vulkan noch gute fünfundzwanzig Kilometer entfernt lag, schien er zum Greifen nah.
»Ist das nicht ein tolles Land?«, fragte ich Ole und blickte verträumt Richtung Krater. »Diese Aussicht und die Düfte, die hier in der Luft liegen. Wenn man hier lebt und arbeitet, was hat man dann überhaupt für Sorgen?«
»Na ja«, meinte Ole, »ich finde es hier auch wunderschön, aber die Arbeit auf den Feldern verlangt einem sicherlich viel ab. Und so ein Besitz bringt viel Verantwortung mit sich, für die Umwelt, für die Arbeiter. Man lebt immer mit einer gewissen Unsicherheit, ob die Ernte gut wird, ob das Wetter mitspielt und so weiter. Ob die Profite all diese Mühen wert sind? Schließlich versteht sich nicht jeder so gut mit seiner Familie, wie das bei den de Vivos der Fall zu sein scheint.«
»Stimmt«, nickte ich und dachte an meine Eltern. »Für eine schöne junge Frau wie Simona gibt es bestimmt auch Reizvolleres als ein Leben in so einem ruhigen kleinen Kaff. Ein aufregendes Nachtleben wird man hier wohl eher nicht geboten bekommen.«
»Meinst du, sie würde lieber in der Stadt wohnen, vielleicht studieren, ausgehen und so?«, fragte Ole, und ihm war anzumerken, dass die schöne Tochter des Hauses ihn interessierte.
»Immerhin, sie ist sehr jung. Und in Castroreale gibt es ja noch nicht einmal ein Kino, geschweige denn einenClub oder Ähnliches«, gab ich zu bedenken. »Ich frage mich, was die jungen Leute hier in ihrer Freizeit machen.« So reizvoll die Landschaft und das Leben in dieser Idylle mir auf den ersten Blick schienen – wäre es für mich überhaupt denkbar, auf das kulturelle Angebot Berlins, auf Dinge wie mein Lieblingsprogrammkino oder den 24-Stunden-Falafel zu verzichten?
»Keine Ahnung, wir können Simona ja mal fragen, womit sie sich so beschäftigt«, meinte Ole.
»Ich zumindest denke, es kann nicht schaden, wenn man ein bisschen was von der Welt gesehen hat«, sinnierte ich weiter. »Man kann sich später, wenn man verheiratet ist und Kinder hat, doch immer noch aufs Land zurückziehen. Wenn man seine Erfahrungen gesammelt hat und sich sicher ist, dass es das richtige Leben für einen ist.«
»Ne, das wäre nichts für mich«, meinte Ole. »Ich würde Berlin vermissen, meine Arbeit, meine Freunde und das ganze Drumherum in der Stadt. Aber für einen Urlaub ist diese Gegend echt nicht schlecht!«
»Ich hab keine Ahnung, ob ich es mir für mich vorstellen könnte«, überlegte ich laut. »Aber toll ist es, so im Einklang mit der Natur zu leben, genau zu wissen, woher die Lebensmittel stammen, die man isst …« »Doch«, fügte ich nach einer kurzen Denkpause hinzu. »Doch, ich glaube, ich könnte es mir schon vorstellen, hier zu leben.«
Wir schlenderten von Baum zu Baum, schauten durch die kleine Digicam, die Ole dabeihatte, machten Schnappschüsse und besprachen die Aufnahmen. Ich kam mir dabei unheimlich professionell vor. Ole nahm meine Vorschläge und Einwände ernst, das war ein ganz neuesArbeitsgefühl. Ich konnte kaum fassen, wie viel Glück ich hatte, an diesem Projekt beteiligt zu sein. Das verdankte ich nur Malte!
Als Ole und ich gut gelaunt anderthalb Stunden später wieder am Hauptgebäude eintrafen, saßen Dieter und Malte immer noch im Gespräch mit Signor Lapi. So warteten wir zunächst noch eine ganze Weile im Hof,
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