Amors Glücksfall (German Edition)
das Gleiche für Stella empfinde. Vielleicht aber auch aus einem anderen Grund.
„ Kein Entweder-Oder“, denke ich plötzlich. „Die Wahrheit ist viel umfassender“, höre ich im gleichen Moment Calopea irgendwo in der Tiefe meiner neuen, alten Gehirnwindungen. Auf einmal weiß ich auch, warum der Fahrgast, der mich und Stellas Siegesrede gerettet hat, meinen Namen wusste. Es kann nur sie gewesen sein.
Ich lache auf und denke noch eine Weile über die beiden Liebesengel nach. Amor und die Wetterexpertin! Vielleicht haben sie Recht. Ich sehe zu Stella und lache wieder.
Womöglich sind wir ja doch alle viel mehr verbunden, als ich es bisher angenommen habe.
Impressum
Herausgegeben von
Johanna Wasser
Mondseestr. 40
81827 München
www.johannawasser.de
Leseprobe zu:
„Das Glück ist ein flüchtiger Dieb“ von Johanna Wasser
15. Juni 2013
Die letzten Tage glichen einer Therapie. Frank stellte mir Fragen, die mich überwältigten und mich bei der Suche nach der Antwort ständig weinen ließen. Es waren befreiende Tränen, auch wenn die Themen alles andere als befreiend waren. Alles ging damit los, dass er mich in Leon mitten vor der Kathedrale fragte, wo meine „Herzkapsel“ herkomme. Ich schaute ihn erstaunt an und fragte etwas Banales über die Stadt. So als wollte ich davon ablenken, dass er meinen wundesten Punkt erwischt hatte und ich mich fühlte, als hätte mir jemand einen Eimer mit kochendem Wasser ins Gesicht geschüttet. Er kannte mich besser, als ich mir eingestehen wollte und so blieb er dabei, bohrte und fragte solche Dinge wie: Wo meine Bindungspanik herkomme und warum ich so gespalten sei. Ich wich aus, ging alleine in das Prachtgebäude und versuchte ein Stück mit Gerald oder den anderen zu gehen. Doch ich merkte, dass ich aus der Situation nicht herauskam und dass niemand sonst das gleiche Schritttempo hatte wie ich. Sobald ich mein eigenes Tempo ging, kam zwangsläufig Frank in meine Nähe.
Es waren zwei ganz besondere Tage. Viele schmerzhafte Stunden, weil ich tatsächlich irgendwann von alleine zu erzählen begann und das Gefühl hatte, ich ginge als Dritte im Bunde neben mir und Frank und hörte dem Gespräch zu.
Ich hörte mich erzählen, dass ich nirgendwo das Gefühl der Heimat empfinden konnte, dass ich mich schon immer getrieben fühlte und mich mit einer Sehnsucht, die alles um mich in Stücke riss, verband. Ich berichtete von meiner Mutter, die als Studentin nach Tallinn ging, um in Estland zu bleiben. Ich erzählte davon, wie sie meinen Vater kennenlernte, der auch ein deutscher Student war und wie sie gemeinsam beschlossen, nach Deutschland zurückzukehren. Sie hatten es nicht mehr geschafft, obwohl Lara und ich dann schon auf der Welt waren. Ihre Liebe zerbrach, ohne dass zwei kleine Kinder sie hätte retten können. Ich berichtete davon, wie mein Vater uns verließ und ich im Gegensatz zu meiner Schwester nie wirklich loslassen konnte, weil ich immer der Meinung war, dass er irgendwann einmal wieder zurückkehren würde. Als dann Jahrzehnte vergingen und er nicht einmal zu unserem Geburtstag anrief, übertrug ich die Wut auf ihn auf andere Menschen um mich herum. Ich baute tatsächlich so etwas wie eine Kapsel um mein Herz, um sicher zu gehen, dass es nicht mehr gebrochen werden konnte.
Irgendwann fragte Frank, ob es sein könnte, dass ich vorsichtshalber wegrannte, bevor mir jemand damit zuvorkam und mich verließ. Und wieder hatte ich das Gefühl: Er trifft mitten ins Schwarze.
Vielleicht. Vielleicht wollte ich die Kontrolle behalten. Vielleicht hatte ich Angst, abgelehnt zu werden und lehnte deswegen vorsichtshalber als erste ab. Ich wusste es nicht, aber langsam bekam ich eine Ahnung.
Wir redeten zwei Tage ununterbrochen über mich, was mir anfangs unangenehm war, weil mir nach und nach dämmerte, dass ich mich zum ersten Mal öffnete. Es fiel mir tatsächlich langsam immer leichter durch den Nebel zu sehen und mich selbst zu verstehen.
Am dritten Tag kam es mir vor, als hätte jemand extra alles für mich arrangiert. Würde ich nicht schon ein wenig an Zeichen und Wunder glauben, hätte ich an diesem Tag ganz sicher damit angefangen.
Schon beim Frühstück stellten wir fest, dass uns bis zum Ende der heutigen Etappe in Santa Catalina zwei unterschiedliche Wege zur Verfügung standen. Der kürzere davon verlief neben einer Schnellstraße auf dem Asphalt. Die Alternative, die im Reiseführer viel schöner klang, führte über einen
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