Amors Glücksfall (German Edition)
zu ihr. Wieder schmunzle ich. „Mein Humor und ihre Überschwänglichkeit passen nicht so recht zusammen“, denke ich zuerst. Ihre Worte klingen pathetisch, was nicht gerade mein Stil ist. Ich finde es schlicht übertrieben.
„Du hast doch keinen Oskar gewonnen“, sage ich. Keine Reaktion von Stella. „Ich bin dankbar dafür, einen Job zu haben, der Menschen zusammenbringt“, lese ich vor. „Findest du es nicht ein bisschen drüber?“ Wir wissen beide, dass sie diesen Job überhaupt nicht mehr hat. Und außerdem weiß ich, dass ihre Leidenschaft nicht den Menschen, sondern den Spielen gilt, die sie für sie entwickelt. „Mit ihrem neuen Job wird sie nun endlich glücklich werden“, denke ich. „Menschen zusammenbringen“, murmle ich. Die Worte amüsieren mich. Wenn überhaupt, dann passen sie höchstens zu Lorenzo. Von einem Moment auf den nächsten wird mir klar, dass auch für mich der Job bei Munichlive etwas anderes bedeutet, als das Verkuppeln von Pärchen. Es geht ums Geldverdienen. Vielleicht hat Stella ja Recht? Ich habe womöglich doch aufgehört, an die Idee des Ganzen zu glauben, sofern es eine Idee überhaupt mal gegeben hat. Ich denke an den letzten Speeddatingabend, an dem ich Mäuschen spielte und Stella dabei zusehen durfte, wie sie aufblühte. Vielleicht passt der Satz ja doch nicht nur zu Lorenzo, sondern auch zu ihr? Ich lese den Rest ihrer Ergänzungen durch. An einer Stelle stoppe ich und sehe zu ihr hoch. „Ich bin dein Partner?“, frage ich. Dass Stella nicht nur dem Team von Munichlive dankt, sondern auch mir, überspannt den Bogen, weil es nicht notwendig ist. So wie Frank Tanner zur Jury gehört, so gehöre ich zu den Kollegen von Munichlive . Aber irgendwie schmeichelt mir diese Extraerwähnung auch.
„Geschäftspartner“, korrigiert sie mich.
„Meine ich ja“, ich betrachte sie eine Weile. Das Gefühl, es handele sich um meine, statt Stellas Rede kriecht in meinen Kopf und bewegt sich nicht von der Stelle. Sie hat keinen Grund, mir gegenüber dankbar zu sein. Ganz im Gegenteil. Ich habe ihr nur Unglück gebracht. Die letzten drei Jahre schon und in der letzten Zeit besonders. Und was macht sie? Sowohl meine Leute, als auch ich selbst hätten ohne sie kein Gehalt bekommen. Ich denke an Adlerauge Jan, dem Stella geholfen hat und an Karim, der ohne sie keine Liebeserklärung von Lorenzo bekommen hätte. Lorenzo und ich würden weiterhin in Schwierigkeiten stecken, wenn Stella nicht wäre. Ich greife zu ihrem Handy und sehe mir die MMS noch einmal an. „Sie sieht wirklich glücklich aus“, denke ich. Tief in mir begreife ich, wie sehr ich mir wünsche, dass es so bleibt. Wenn jemand Glück verdient, dann ganz sicher Stella.
„Ich hoffe, du weißt, wie besonders du bist“, flüstere ich, ziehe den Laptop näher zu mir und korrigie re meinen Einstieg. Keine Witze. Ich entscheide mich für ein bisschen mehr Überschwang, ein bisschen mehr Gefühl. „Es ist ja Stellas Rede“, denke ich. „Deswegen sollte sie auch mehr so sein wie sie“, beschließe ich. Wir überarbeiten gemeinsam noch ein paar Kleinigkeiten und beginnen schließlich den Text laut vorzulesen. Ich weiß, dass Stella sich die Rede so am besten einprägen kann. Ich kenne sie, also schlage ich diese Methode des Auswendiglernens selbst vor. Dass ihr der Text mittlerweile gut gefällt, bemerke ich spätestens, als sie übers ganze Gesicht zu strahlen beginnt, während sie den Text nachspricht. Es passiert nicht gleich. Zuerst ist es nur das Lachen, was ihr Gesicht immer mehr erröten lässt. Doch irgendwann steht sie völlig in Flammen. Die Freude ist ihr förmlich anzusehen. Über Stunden üben wir, bis jedes einzelne Wort sitzt. Und irgendwann in dieser Zeit verwandeln wir uns in das Team, das wir einmal gewesen waren. Das alte Politikerehepaar. Beinahe glaube ich sogar, dass Stella zufriedener aussieht, als auf dem Bild neben Tanner. Und auch wenn ich mittlerweile so müde bin, dass ich auf der Stelle einschlafen könnte, erwische ich mich dabei, dass ich über den Gedanken mit der Zufriedenheit gar nicht so unfroh bin. „Eine seltsame Sache ist das hier“, denke ich, als ich später in den Schlaf gleite. Während Stella den Jungunternehmerpreis gewonnen hat, begreife ich, was mein eigener Preis sein könnte. Es ist die Zufriedenheit darüber, dass sie zufrieden ist – ich bin glücklich, sie endlich lachen zu sehen - und es ist meine Hoffnung, dass dies, so wie es gerade ist, für immer so bleiben
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