Amors Glücksfall (German Edition)
lässt mich stehen, geht wieder an ihren Platz zurück und hört eine Weile weiter Jans Rede zu. Er hat sich über Nacht zum Rädelsführer gemausert, scheint mir. Ich sehe wieder zu der Glastür meines Büros und überlege unauffällig hineinzugehen und meinen Computer einzuschalten. Vielleicht kann ich ja so herausfinden, was hier gespielt wird. „Lorenzo und unauffällig, naja“, fällt mir allerdings gleich ein und ich verwerfe die Idee. Mia kommt zurück.
„Jans Freundin arbeitet bei nomoresingle und dieses Gerücht hält sich dort jetzt schon seit Tagen. Komm!“ Sie zerrt mich zu unserem Tisch. „Jan hat eine Freundin?“, frage ich mich: „Seit wann? Und seit wann interessiert mich überhaupt Jans Liebesleben?“ Die anderen Kollegen strömen nach und nach aus der Küche und verteilen sich auf ihre Arbeitsplätze.
Nach einer halben Stunde ist alles wie immer. Telefonate, Gemurmel und das muntere Tastaturgeplapper geht weiter. Nur dass ich mich nicht beruhigen kann.
„Also, was hat Jans Freundin denn jetzt genau gesagt?“, frage ich leise, als Mia endlich mal aufhört zu telefonieren. Ich bin sicher, dass da nichts dran ist. Aber ich will trotzdem vorsichtshalber die letzten Zweifel ausräumen. Mia wirkt ernst. Ich weiß, dass sie eine riesige Panik davor hat, schon wieder ohne Job da zu stehen. Sie hat mir das mehrfach gesagt. Einmal davon sogar unter Tränen.
„Nichts Konkretes. Aber dass Mark nicht da ist, bestätigt doch alles. Findest du nicht?“
Ich hoffe, sie heult jetzt nicht. Frauen weinen zu sehen, ist keine Aufgabe, der ich gewachsen bin. Ob als Mark oder Lorenzo, spielt dabei gar keine Rolle. Da bin ich mir sicher.
„Ich glaube das nicht“, sage ich. „Du kennst doch Mark!“ Im gleichen Moment begreife ich, dass der Satz sie jetzt noch mehr beunruhigen wird. Ich will doch nur, dass sie sich erinnert, wie sehr ich für Munichlive lebe und dass ich die Firma niemals verkaufen würde. Ich würde doch nicht? Ich muss unbedingt an meinen Computer! Noch länger wegzubleiben, kann ich mir nicht leisten. Die bekommen hier kollektiv einen Koller, wenn es so weitergeht. Zudem weiß ich nicht, ob nicht gerade von irgendwo das nächste Problem auf mich zurollt. Und im Körper eines Mitarbeiters kann ich als Mark Hübner nichts ausrichten.
„ So ein Mist aber auch“, denke ich, drücke die Einschalttaste von Lorenzos Computer und starre, während das Programm hochfährt, wie benommen auf den Monitor. „Bitte geben Sie Ihr Passwort ein“, leuchtet es vor mir auf. „A-M-O-R“, tippe ich. Roboterhaft, ohne recht zu begreifen, was hier passiert und was ich gerade mache, sitze ich da und warte, bis mein E-Mail-Eingang sich öffnet. Ich habe nur eine Nachricht, die ich anklicke und in den Eingang von Karim schiebe. „Er wird es schon machen“, denke ich. Im gleichen Moment taucht er neben mir auf, stellt eine Tasse Kaffee vor Mia und dann eine vor mir ab. Es ist offensichtlich seine.
„Willst du auch?“, fragt er. Ich schüttle den Kopf. Auch gut. Er setzt sich hin und beugt sich interessiert nach vorne. „Und, was ist jetzt mit den beiden von gestern?“ Die Sache mit der Übernahme juckt ihn offenbar gar nicht. Erst langsam kommen auch meine Gedanken in die Gegenwart zurück. Innerhalb der letzten zehn Minuten haben sie sich von der fröhlichen Vorfreude in Irritation gestürzt und aus einem verständlichen Grund fällt es mir schwer, sofort zurückzufinden. Ich brumme vor mich hin, logge mich in das Profil von Amanda ein.
„Sie war gestern bis um elf Uhr noch online“, sage ich. „Wahrscheinlich haben sie doch noch weitergespielt. Oder sie haben sich einfach nur etwas geschrieben.“ Das hoffe ich zumindest. Amandas Strichmännchen ist kein Engel, allerdings sehe ich, dass sie eine Bewertung erhalten hat. Karim rückt näher. Ich klicke drauf.
„Bestimmt vom Peter, oder?“, fragt er. Ich nicke. „Klingt nett“, hat er geschrieben. Ein bisschen mager, wie ich finde. Aber vielleicht is t er kein Freund großer Worte.
„Was heißt es?“, frage ic h ungeduldig zu Karim gewandt.
„Nett ist die kleine Schwester von Scheiße“, antwortet er. Super, darauf wäre ich jetzt auch so gekommen. Ich hätte von ihm etwas Tiefenpsychologisches erwartet.
„Wird was aus den beiden oder nicht?“ Noch immer bin ich mir sicher, dass es noch werden wird. Auch wenn mein Wetteinsatz heute geringer ausfallen würde, als noch gestern Abend. Aber noch mehr Wetteinsätze brauche ich eh nicht.
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