Amors Glücksfall (German Edition)
drücke ohne eine Abmeldung auf den Ausschaltknopf. Von eine r Sekunde auf die nächste wird der Bildschirm schwarz. Ich springe auf, laufe durch die Bürotür, schalte das Licht unterwegs aus und stolpere im Dunkeln zur Lorenzos Arbeitsstation. Dort angekommen, werfe ich mich in den Drehstuhl, mache die kleine Leselampe über dem Computer an, von der ich bisher nicht wusste, welchen Zweck sie erfüllt und starre auf den Monitor. „Er wird mir hoffentlich nicht über die Schulter sehen wollen“, denke ich. Die Tür springt auf. Im gleichen Moment stehe ich auf und tue so, als packte ich meine Sachen zusammen.
„Fertig!“, rufe ich dem Mann entgegen : „Wie hast du das gewusst?“ Er lächelt, bleibt im Türrahmen stehen und sieht für keinen Moment misstrauisch aus.
„Hoffentlich weiß dein Chef diesen Einsatz zu schätzen!“, sagt er, als ich auf seiner Höhe ankomme und stehen bleibe. Und wie er das weiß! Ich sage nichts, sondern grinse zufrieden. „Ich soll dir einen schönen Gruß ausrichten“, sagt er. Ich nicke und grinse, so als wüsste ich, von wem der Gruß sein soll und quetsche mich an ihm vorbei durch die Tür.
„Ja, richte ihr auch liebe Grüße aus“, sage ich und steige in den Aufzug. Die Dateien in meiner Tasche brennen sich in ihrer Brisanz durch den Jackenstoff und lassen wieder finstere Gedanken in meinem Kopf entstehen. In Lorenzos Kopf. Meine Gedanken. Ich hasse diese Kombination, die auch nicht aufhört zu existieren, als ich dem namenlosen Wachmann zum Abschied zuwinke und davongehe, mit kaltem Wind in Lorenzos Gesicht. In eine Wohnung, die mir nicht gehört, in ein Leben, das mir fremd ist und in dem ich mich um Probleme kümmern muss, die ich nicht einfach verdrängen kann. Dummerweise sind das nämlich meine Probleme. Und würde ich sie nicht ganz bald lösen, werde ich in zwei Wochen ein viel größeres Problem zu lösen haben. Hatte mir Calopea eigentlich verraten, wohin mein Verstand wandern würde, wenn ich hier kein Gastrecht mehr habe?
Ich gehe langsamer. Es kommt mir vor, als verlänger te ich damit etwas viel Wichtigeres als diesen blöden Heimweg. In der Weite erkenne ich bald das Haus, das ich seit Neustem mein eigen nenne. Zumindest die eine Wohnung darin. Fünfter Stock, mit Aufzug, den ich nie nehme. Ich wechsle die Straßenseite und steuere das Gebäude an.
1 3 Coming-out vor Krankenschwestern
„ Mark ist in Thailand!“, eröffnet mir Mia. Heute trägt sie mal kein Muttermal. Ich lächle ihr zu und drücke mich in meinen Stuhl. Auch Mia ist etwas besser gelaunt als gestern. Ich ahne, dass Jan den Inhalt meiner Nachricht bereits verkündet hat. Ich habe geschrieben, dass ich in meinem Hotel ein paar Tage lang nicht ins Internet konnte und jetzt aber täglich einen Bericht von ihm erwarte. Das Adlerauge hat sich gestern als Rädels-, ja Revolutionsführer aufgespielt, also nutze ich seinen Wunsch und mache ihn zu meinem Sprachrohr.
Nach Feierabend beschließe ich keine Zeit zu verlieren. In Lorenzos Wohnung zieht es mich sowieso nicht und so begebe ich mich Richtung U-Bahn. Dann Richtung Klinikum. Natürlich habe ich diesmal genug Geld für eine Fahrkarte dabei, die ich kaufe und ordnungsgemäß entwerte. Dass ich nun aber gar nicht kontrolliert werde, versteht sich allerdings von selbst.
Im Krankenhaus angekommen, steuere ich die Innere an. Mein Körper liegt nicht mehr auf der Intensivstation, wie ich es zuerst annehme. Ich wurde geflickt, vergipst und liege nun genau so regungslos wie zuvor in einem anderen Zimmer, drei Etagen über dem ursprünglichen Platz. Dass ich allein bin, überrascht mich ein wenig. Doch der Anblick der weißen Marionette, deren beide Arme und eines der Beine in die Höhe gezogen sind und an seltsamen Befestigungen baumeln, erklärt diesen Tatbestand. „Dieses Bild würde wohl bei jedem anderen Patienten einer Genesung deutlich im Weg sein“, denke ich, als ich ins Zimmer trete und erneut nicht sicher bin, dass das wirklich mein eigener Körper ist. Nicht einmal das Gesicht ist zu erkennen. „Von Kopf bis Fuß bandagiert“, überlege ich und erinnere mich sofort an den Traum, den ich unmittelbar vor meinem Erwachen in Lorenzos Körper gehabt hatte.
„Grüß Gott“, ertönt es hinter mir. Die Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Eine Krankenschwester, die glatt als ein Duplikat der Blondine durchgehen könnte, die mich in diese Scheiße hier hineingeritten hat, läuft an mir vorbei zu dem Krankenbett. Sie
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