Amors Glücksfall (German Edition)
irgendeine Vorgeschichte, an ein „Angebot“, das noch einmal „nachgebessert“ werden könnte, habe ich schlicht keine Erinnerung. Ob die Liebesengel beim Transfer wohl geschlampt haben?
Leider dauert es nicht lange, bis ich der Sache auf die Schliche komme. Eine Nachricht macht mich besonders hellhörig. Sie ist nur zwei Tage vor der Geis-Nachricht angekommen. Die Absenderin ist eine gewisse Frau Fuchs. Seltsam ist, dass die Nachricht gelesen markiert ist, obwohl ich mich auch an sie nicht erinnern kann. Wer Frau Fuchs ist, weiß ich hingegen genau. Ohne etwas Gutes zu ahnen, öffne ich die E-Mail und lese. Die Haare auf meinen Unterarmen stellen sich auf und bleiben so. „Sehr geehrter Herr Hübner!“, schreibt mir meine Bankbetreuerin. Das klingt so förmlich wie ein wichtiges Anschreiben. Sonst ist der Ton zwischen uns beiden eher entspannt. Dass sie nicht mit einem „Hallo“ beginnt, spricht dafür, dass der Inhalt der Nachricht auch nicht allzu freundschaftlich sein wird. „Ihr Eilantrag“, steht in der Betreffzeile. Eilantrag? Ich schweife ab, schließe die Augen ein paar Mal und lese weiter.
„Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass auf Ihrem Geschäftskonto sowie auf Ihren Privatkonten eine Finanzamtpfändung eingegangen ist.“ Pfändung? Was soll der Mist? „Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir Ihren Eilantrag auf einen Kredit aus diesem Grunde zurückstellen müssen, bis die Angelegenheit geklärt ist. Mit freundlichen Grüßen.“
„Klasse, kurz und schmerzlos!“, denke ich, schließe die Nachricht und verschiebe sie in den Papierkorb. Eine Weile überlege ich. So etwas wie eine verschwommene Erinnerung taucht in meinem Kopf auf. Finanzamt, Antrag, Telefonat mit Frau Fuchs. Das musste alles passiert sein, kurz bevor ich in Lorenzos Wohnung aufwachte. Irgendwie muss das alles also zusammengehören, auch wenn ich keine Details mehr zusammenbekomme. Ich versuche weiter zu kombinieren. Das Angebot von nomoresingle ist in diesem Zusammenhang gar nicht so abwegig.
Ich fische das E-Mail wieder aus dem Papierkorb heraus, öffne es und lese den Inhalt noch einmal. Das Datum ist vom Vortag des Unfallabends. Wenn ich richtig liege, habe ich versucht , kurzfristig einen Kredit bei der Bank zu bekommen, um das Finanzamt ruhigzustellen. Und da die Zeit offensichtlich gegen mich gespielt hat, war das Finanzamt schneller und hat mir damit jegliche Alternativen genommen. Ich hätte mich sonst niemals auf den Verkauf der Firma eingelassen. Um nichts in der Welt und schon gar nicht an nomoresingle . Ich wühle in der elektronischen Post auf der Suche nach einem Brief des Finanzamts. Dann gehe ich den Cloud-Ordner durch, in dem ich – also der alte Mark Hübner – routiniert auch alle Briefpost abspeichert. Behörden schreiben ja keine Mails. Allerdings ist der Mark Hübner, also ich, beim Scannen etwas faul. Gut möglich daher, dass noch reichlich Bank- und Behördenpost bei mir, also dem alten Mark Hübner, in der Wohnung liegt. Aber darüber will ich gar nicht nachdenken müssen: Die Schweine müssen mir doch geschrieben haben, warum sie die Ratenvereinbarung nicht mehr akzeptieren wollen! Ich finde nichts.
Ich strenge mich an, meine Überlegungen zu verdichten und erinnere mich schon bald an ein Telefonat von vor einem halben Jahr , zu dem mich Paul, mein Steuerberater, beinahe geprügelt hat. Bis dahin hatte ich meine alten Steuerschulden aus der Fondsmanagerzeit brav abgestottert. Laut Paul hatte das Finanzamt die bestehende Vereinbarung aufkündigen wollen. Das Telefonat klärte die Sache allerdings und ich fühlte mich daher sicher.
Ich blättere durch die E-Mails, klicke eine andere E-Mail von Frau Fuchs an. „Lieber Herr Hübner! Wirklich schade, dass Sie sich das mit dem Jungunternehmerpreis nicht noch einmal überlegen wollen ...“ Lieber Herr Hübner? Dass ich nicht lache! Wut breitet sich langsam wie Gift in mir aus. Ich spüre, wie sie mir die Luft zum Atmen nimmt und ich höre im gleichen Moment jemand mit schlurfendem Schritt durchs Treppenhaus näher kommen. „Zum Teufel mit dem Finanzamt!“, denke ich, greife in meine Tasche, ziehe eilig einen Speicherstick heraus und stecke ihn in den USB-Ausgang des PCs. „Möchten Sie die Dateiübertragung starten?“, poppt es in einem Fenster vor mir auf. Ich klicke auf „Ja“ und schicke ein Stoßgebet gen Himmel, dass der Wachmann sich Zeit lässt. Die Schritte im Treppenhaus werden lauter.
Ich ziehe den Stick heraus und
Weitere Kostenlose Bücher