Amors Glücksfall (German Edition)
macht sich eine Weile an den Geräten zu schaffen, die offensichtlich zum Überwachungsmonitor für die Lebensfunktionen gehören. Ich grüße zurück, bleibe allerdings bewegungslos stehen. „Soll sich der heiße Feger wenigstens um einen von uns kümmern!“, denke ich. Den anderen nimmt sie nämlich überhaupt nicht wahr. Begrüßung hin oder her. Sie stellt das Rückenteil des Bettes ein wenig höher und dreht das Bett insgesamt ein Stück zur Seite. Ich nehme an, das dient der Reizveränderung. So könnte ich fast schon aus dem Fenster sehen, wenn ich denn wach wäre.
„Und, wie steht es um ihn?“, frage ich, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Sie beachtet mich allerdings noch immer nicht, murmelt etwas, das ich nicht verstehen kann und geht, ohne stehenzubleiben, aus dem Zimmer hinaus. „Hören Sie, ich müsste da etwas ...“, rufe ich ihr hinterher. Vergebens, wie sich herausstellt, denn sie wartet nicht. Und als ich mit meinem Lebensgewicht endlich in den Flur trete, ist sie bereits verschwunden. „Arrogante Pute!“, denke ich und sehe mich nach dem Ärztezimmer um. Der Glaskasten ist schnell gefunden. Mich trennen wenige Meter von der Klärung meines Problems. Ich hoffe, die andere junge Frau, die neben der Blondine am Tisch steht, ist eine Ärztin. Jemand, der hier etwas zu sagen hat.
„ ... der hübsche Kerl, der sein Auto gegen den Baum gesetzt hat“, schnappe ich auf, als ich an der offenen Tür ankomme. Mark Hübner ist offensichtlich ihr Typ, so wie sie eigentlich mein Typ wäre, wäre sie nicht so überheblich. Andererseits erinnere ich mich daran, wie die Wirklichkeit gerade aussieht. Ich sehe für die beiden aus, wie Lorenzo eben aussieht. Und unter den weißen Gipsverbänden in Mark Hübners Krankenzimmer sehen sie offensichtlich mehr, als ich sehen kann. Kurz muss ich grinsen: „Sogar zu Brei verarbeitet mache ich Eindruck bei Frauen.“ Ich bemerke entsetzt, dass so etwas wie Neid in mir auftaucht. Unsichtbar zu sein, obwohl man an Masse eher zugenommen hat, ist völlig ungewöhnlich für mich.
„Was ist denn jetzt mit meiner Frage?“, wende ich mich an die zwei Grazien, um nicht weiter über den Sinn meiner Feststellung nachzudenken. Den eigenen Körper zu sehen, ist auch so schon eine seltsame Kiste. Ihn zudem nicht zu erkennen, ist übel. Futterneid auf sich selbst ist hingegen richtig krank.
„Wenn Sie nicht gerade sein Bruder sind“, beginnt die Blondine. Ihr Blick sagt, dass sie keinesfalls davon ausgeht.
„Nein, bin ich nicht“, gebe ich zurück und bestätige so ihre Annahme. „Wir leben nur zusammen!“, füge ich hinzu und beobachte, wie die beiden Frauen mit dieser Information völlig überfordert sind. Die Dunkelhaarige versucht zwar etwas zu sagen, doch es gelingt ihr nicht. Ein bisschen sieht sie auf einmal aus, als übe sie Schnappatmung.
Nach einem Moment des Triumphs begreife ich allerdings, was ich da gesagt habe. Alles natürlich Schwachsinn, doch irgendwie lustig. Ich frage mich, wie ich darauf gekommen bin und grinse unwillkürlich. Plötzlich gefällt es mir, den Schwulen zu spielen. Wie ist es eigentlich, gelte ich als Ehemann von mir selbst, wenn ich so tue, als sei ich der Lebensgefährte von Mark Hübner?
„Sie sind ...“, versucht die Blondine. Ich antworte nicht, sondern versuche möglichst schwul auszusehen. Immerhin habe ich keine schrillen Klamotten an, die „unsereins“ wohl tragen muss, um dem Klischee zu entsprechen. Homosexuell gleich ganzjährig Karneval. Doch weiß ich genau wie ich wirke. Sie kaufen mir die Finte ab, das sehe ich sofort. Ich sehe Enttäuschung auf ihren beiden Gesichtern. „So ein Mist“, sagen mir ihre Augen. „Die besten Männer sind eben doch entweder vergeben oder schwul.“ Das hat schon Stella immer gesagt. „Der Rest sind Arschlöcher.“ Meine Rede. Und jetzt bin ich zur Abwechslung auch mal schwul.
„I ch schau mal“, flüstert die dunkelhaarige Krankenschwester, lässt mich mit dem verdatterten heißen Gerät allein und verschwindet im Inneren des Ärztezimmers. Ich hoffe, sie bringt mir meine Schlüssel und die Brieftasche, in der ich hoffentlich noch etwas Geld übrig gelassen habe. Bei dem Alkoholpegel in der Unfallnacht ist die Sache nicht sicher, also lege ich meine Hoffnung vorausschauend in die Kredit- und Bankkarte. Zum Glück kenne ich noch immer die ganzen PIN-Nummern. Thema Verhungern ist damit vom Tisch.
„Sie müssen sich an ...“ Sie überlegt, sieht erst zu mir, dann zu ihrer
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