Amputiert
Betten strömte eine dunkle Flüssigkeit in mehrere der Verstümmelten.
Was ist mit diesen armen Leuten passiert?
Dann bemerkte ich einen für gewerblichen Großbetrieb gedachten Kühlschrank mit Glasschiebefront. Darin stapelten sich kleine, mit Flüssigkeit gefüllte Beutel, unterteilt in Abschnitte mit Etiketten wie A NEG oder 0 POS . Dann begriff ich das wahre Grauen dessen, was in diesem geheimen Raum geschah. Die Maschinen auf dem Boden und die intravenösen Schläuche versorgten die gliederlosen Menschen nicht mit der dunklen Flüssigkeit – sie zapften sie ab.
In meinen Ohren summte es, als ich mich lebhaft daran erinnerte, wie Dr. Marshall gesagt hatte, man hätte ein Problem damit, den ständigen Bedarf an frischem Blut für seine Experimente zu decken.
Gütige Mutter Gottes!
Dieser grausige Raum stellte die Lösung für das Versorgungsproblem des Chirurgen dar. Diese Leute hier verkörperten seinen Bluter; Personen, die ausschließlich am Leben erhalten wurden, um ihnen wieder und wieder jenes immens wertvolle menschliche Gut abzuzapfen. Ich befand mich nicht in einem Zimmer voll Kranker – ich befand mich in Dr. Marshalls Blutbank.
Kapitel 14
Ich konnte mich nicht bewegen.
Ich versuchte es, aber es ging einfach nicht. Meine Füße fühlten sich wie auf dem Boden festgenagelt an. Ich hatte in meinem Leben viele bizarre Dinge gesehen, und ich wusste, dass Menschen zu allen möglichen Grausamkeiten und Barbareien fähig waren, aber ich hatte noch nie etwas derart Schlimmes gesehen. Dies war eine Grausamkeit so extrem, dass mein Verstand einen Kurzschluss erfuhr, überlastet vom Versuch, irgendwie zu rechtfertigen, was sich mir darbot. Es war unmöglich. Für so etwas gab es keine rationale Erklärung; die einzige Erklärung war blanker Wahnsinn.
Mit mehreren tiefen Atemzügen zwang ich mich zur Ruhe. Ich musste nachdenken und entscheiden, was das für meine Lage bedeutete und was ich als Nächstes tun sollte. Ich war gerade dabei, mich zu konzentrieren, als eine kräftige, deutliche Männerstimme fragte: »He, Mister, du bist keiner der Wächter, oder?«
Zum zweiten Mal wäre mir beinah ein Schrei herausgerutscht; die laute Stimme erschreckte mich zutiefst, aber zumindest riss sie mich aus meiner Starre. Da ich keinen Hinweis darauf hatte, zu wem die Stimme gehörte und wo sich der Mann befand, fuhr mein Kopf wild hin und her. Panik stieg in mir auf, weil ich ihn nicht finden konnte.
»Hör auf, den Kopf zu schütteln, und komm hier rüber, Junge. Hinter dir, zweites Bett von der Tür.«
Ich drehte mich um, und endlich sah ich ihn, einen kleinen, unter einer Decke verborgenen Klumpen Fleisch mit scheinbar großem, rasiertem Kopf, der mich zur Seite gedreht beobachtete. Er wirkte hellwach und etwas angespannt. Wahrscheinlich sah er mir schon eine Weile zu, anfangs vermutlich verängstigt, zumal er nicht wusste, wer ich war und weshalb ich mitten in der Nacht hier herumschlich. Nach seiner rauen Stimme und danach zu urteilen, dass er mich als ›Junge‹ bezeichnet hatte, nahm ich an, dass er ein älterer Mann war, vielleicht sechzig; was von seinem Körper übrig war, ließ in dieser Hinsicht keine Rückschlüsse zu.
»Wer, zum Teufel, bist du?«, fragte er, nachdem ich zum Fußende des Bettes getreten war.
Er sprach zu laut, deshalb antwortete ich hastig – nicht, weil ich mich mit ihm unterhalten wollte, sondern, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Mein Name ist Michael Fox«, flüsterte ich. »Und nein, ich bin kein Wächter. Ich bin ein Gast, und ich bin nicht hier, um Ihnen etwas zu tun, Sir, also reden Sie bitte leiser, ja?«
»Leiser?«, hakte er unvermindert laut nach. »Warum? Meinst du etwa, wegen dem Gemüse da?« Er ließ die Augen rings durch den Raum wandern. »Du brauchst dir keine Sorgen darüber zu machen, einen der Burschen zu stören. Ihre Dienstwagen sind zwar noch da, aber der Rest der Züge hat den Bahnhof längst verlassen, wenn du verstehst, was ich meine. Der Einzige, der noch einigermaßen bei Trost ist, das ist Charlie, der Typ, der dort drüben schnarcht, aber bei ihm ist es mal so, mal so. Die anderen ... tja, ich hoffe, sie sind an einem besseren Ort.«
Endlich sprach er, vermutlich mir zuliebe, etwas leiser, als er fortfuhr: »Vergiss das ›Sie‹. Du kannst Lucas zu mir sagen. Was dagegen, wenn ich dich Michael nenne?«
»Aber nein. Mach Mike draus.«
»Prima. Da wir einander jetzt vorgestellt haben: Was, zum Geier, machst du hier?«
»Na ja, ich konnte
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