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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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Bewegung. Wir müssen Sie auf das Laufband bekommen. Zehn Minuten haben wir bereits verloren, weil Sie sich vollgestopft haben, statt Ihre Dehnungsübungen zu machen. Auf geht’s, Mister. Bewegung!«
    »Ja, Sir !«, höhnte ich, sprang aber auf und setzte dazu an, ihr zur Tür hinaus zu folgen. Herumzualbern war in Ordnung, direkte Befehle zu missachten hingegen nicht. »Bereit, wenn Sie es sind.«
    Junie schüttelte mit finsterer Miene den Kopf und ging auf die Tür zu. Ich reihte mich hinter ihr ein und folgte ihr im Gänsemarsch. An diesem Morgen fühlte ich mich gut. Allerdings währte meine gute Laune nur, bis Junie die Tür aufzog und ich Dr. Marshall und Drake erblickte, die geduldig auf dem Gang warteten.
    Drake wirkte mächtiger denn je zuvor; gewaltige Muskeln, ein unergründlicher, bedrohlich starrender Blick. Ich hatte ihn seit Monaten nicht mehr gesehen, und so, wie er aussah, hatte er wohl einen Großteil der Zeit im Fitnessraum verbracht. Er schien nicht besonders erfreut darüber zu sein, mich zu sehen.
    Nathan Marshall präsentierte sich fit und schlank und lehnte mit einem wilden Ausdruck in den Augen am Türknauf. Sein gut aussehendes Gesicht wirkte ruhig, aber an der Kieferpartie konnte ich erkennen, dass er die Zähne zusammenbiss, als wäre er über etwas wütend. Ich hoffte, nicht meinetwegen. Drake jagte mir Angst ein, klar – ein solches Tier hätte jedem Angst eingejagt. Dennoch war es Dr. Marshall, der mich beunruhigte. Insgesamt schien er mir stinksauer zu sein, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er hier war, um mich erneut in den Operationssaal zu holen.
    Alles, nur das nicht! Bringt mich um, wenn ihr wollt, aber keine Operationen mehr. Nicht, wo ich gerade erst anfange, mich wieder menschlich zu fühlen.
    Die beiden vor der Tür zu erblicken, überraschte auch Junie. Und auch sie wirkte nicht erfreut darüber, sie zu sehen.
    »Was machen Sie hier?«, fragte sie. »Erst gestern sagten Sie, ich hätte noch eine volle Woche.«
    Dr. Marshall lächelte und richtete sich auf. »Nun, wie Sie wissen, haben mich bestimmte andere Entwicklungen gezwungen, meine Pläne zu überdenken. Ich habe es satt, abzuwarten und Berichte darüber zu erhalten, dass es diesem Trottel« – damit meinte er mich – »immer besser geht und er bald die vollständige Kontrolle über seinen neuen Körper erlangt haben wird, während ...«
    An der Stelle verstummte er jäh, doch er hatte bereits mehr als genug gesagt. Offensichtlich war bei Andrews Transplantation in den anderen Fleischanzug nicht alles glatt verlaufen, aber was mochte geschehen sein? Schwamm Andrew wieder in seinem Glasbehälter? War er tot? Dies war vermutlich nicht der günstigste Zeitpunkt, danach zu fragen, aber mein Mundwerk verselbstständigte sich bisweilen und handelt unabhängig vom Gehirn. Bevor ich mich bremsen konnte, legte ich los und ließ mich von meiner Neugier hinreißen.
    »Was ist mit Andrew passiert? Geht es ihm gut?«, fragte ich.
    Ich hatte zuvor schon gedacht, dass Dr. Marshalls Kiefer verkrampft wirkte, doch jetzt biss er die Zähne erst richtig zusammen und knirschte damit, um zu verhindern, dass er aufbrüllte. Sein Gesicht lief schlagartig hochrot an. Also, ich habe viele Male gesehen, wie einem Mann Wut ins Gesicht schießt, aber dieser Anblick ging weit darüber hinaus. Dr. Marshall starrte mich voll reinem, mörderischen Hass an.
    Oh-oh. Jetzt habe ich es aber echt geschafft.
    Drake trat vor und rammte mir das Knie heftig in den Schritt; ich ging jäh zu Boden. Meine Eingeweide fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Ich lag keuchend und würgend da und massierte mir die Glocken. Ich hätte ja geschrien, aber ich hatte zu viel Mühe mit dem Atmen. Als die Schmerzen nachließen und es mir gelang, mich auf die Knie zu rappeln, war Dr. Marshall verschwunden. Drake war noch da und ragte über mir auf wie Gevatter Tod an meiner Schwelle. Er beobachtete mich bestenfalls halbherzig interessiert, als spiele ich für ihn eine etwa so große Rolle wie ein Floh für einen Hund. Gott, wie innig ich mir wünschte, ihn umzubringen.
    »Bereiten Sie ihn für morgen früh vor, Junie«, sagte er und stapfte davon.
    Junie sah mich mitleidig an, oder zumindest so nah dran an ›mitleidig‹, wie es ihre Züge zuließen, dann steuerte sie auf die Tür zu.
    »Warten Sie«, stieß ich hervor, nach wie vor auf den Knien. »Wofür vorbereiten? Was ist hier los? Was ist mit Andrew passiert?«
    Einen Moment lang hielt

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