Amy on the summer road
Mutter sich die Fahrt vorstellte. Was angesichts der für die Zwischenstopps auserwählten Orte absolut verständlich war.
Ich musste daran denken, was ich gerade in dem Buch von meinem Vater gelesen hatte. Da ging es darum, einfach loszufahren und dass man so was nur machen kann, wenn man jung ist. Und zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass es sich vielleicht doch lohnen könnte, ab und zu was in dieses Reisetagebuch zu schreiben. »Tja also«, sagte ich und konnte kaum glauben, was ich da vorschlug. »Ich meine, wir könnten ja vielleicht auch anders fahren. Solange wir in vier Tagen da sind, ist es ja eigentlich egal, welche Strecke wir nehmen, oder?«
»Ernsthaft?«, fragte Roger ungläubig. »Und was ist mit den Reservierungen, die deine Mutter gemacht hat?«
Ich zuckte die Schultern, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug. Das war natürlich eine absolut berechtigte Frage. Wie ich meine Mutter kannte, würde sie bestimmt in sämtlichen Hotels anrufen, ob wir auch wirklich angekommen waren. Aber der verwegene Teil meines Ichs wollte endlich auch einmal schwierig sein. Sollte sie sich zur Abwechslung doch mal Sorgen um mich machen und merken, wie es mir damit ging, so allein gelassen zu werden. »Ist mir egal«, sagte ich daher. Das stimmte zwar nicht ganz, aber ich genoss es, so etwas zu sagen. Charlie hätte es bestimmt genauso gemacht. Und Amy! wäre nie im Leben auf so eine Idee gekommen. Und wenn ich so an die 400 Dollar in meiner Tasche dachte, konnte ich mir vorstellen, dass wir die gut gebrauchen konnten, um uns ein bisschen Freiheit zu erkaufen.
Blinzelnd schaute Roger mich an und lehnte sich mit dem Rücken ans Fenster. »Okay. Und wohin soll’s zuerst gehen?«
»Aber wir sind auf jeden Fall am 10. da, ja?«, vergewisserte ich mich hastig. Meine Mutter würde nicht begeistert sein, wenn wir ihre Reiseroute einfach über den Haufen warfen, aber wenn wir länger unterwegs waren als geplant, bekäme sie wahrscheinlich einen hysterischen Anfall. »Wir machen nur einen kleinen Abstecher«, stellte ich klar.
»Genau, nur einen Abstecher«, stimmte Roger zu und nickte. Als er mich angrinste, hatte ich plötzlich das Bedürfnis, zurückzugrinsen. Das machte ich dann zwar doch nicht, aber der Impuls war da – zum ersten Mal seit Monaten.
Die In-N-Out- Angestellte links von uns wurde plötzlich lauter und schrie jetzt ihren künftigen Ex durchs Telefon an. Offensichtlich hieß er Kyle und wusste ganz genau, was er
falsch gemacht hatte. Da es mir unangenehm war, ein Gespräch mitzuhören, das mich nichts anging, stand ich auf und ging vorn um den Wagen herum. Doch Roger rührte sich nicht von der Stelle. Mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck hörte er immer noch der Trennungsorgie zu.
»Roger?«, erkundigte ich mich.
»Ach so, ja«, murmelte er hastig, stand ebenfalls auf und knüllte die weiße Papiertüte zusammen. Wir schnallten uns an und Roger startete den Motor. »Also, wenn das jetzt doch noch ein richtiger Roadtrip werden soll«, befand er, während er rückwärts aus der Parklücke stieß und in Richtung Ausfahrt steuerte, »dann müssen wir uns dringend noch um unsere Grundausstattung kümmern.«
»Also Sprit und so was?« »Nein«, antwortete er. »Also, auch«, fügte er nach einem kurzen Blick auf die Tankanzeige hinzu. »Aber es gibt zwei Sachen, die man unbedingt dabeihaben muss, wenn man länger unterwegs ist.«
»Und die wären?«
Roger hielt an einer Ampel und grinste breit. »Snacks und Musik«, verkündete er. »Wobei die Reihenfolge beliebig ist.«
»Wie findest du Billy Joel?«, befragte mich Roger und scrollte durch seinen iPod. Wir standen immer noch auf dem Parkplatz vor dem Sunshine Mart, weil Roger fest davon überzeugt war, dass wir erst losfahren können, wenn wir die passende Musik ausgesucht hatten. Zuerst schlug er vor, einen Mix von mir zu nehmen, aber das redete ich ihm aus. Denn auf meinem iPod gab es vor allem Soundtracks von
Broadway-Musicals und Oldies. Und da Roger mir nicht vorkam wie ein heimlicher Fan von Andrew Lloyd Webber, überließ ich lieber ihm die Musikauswahl.
Ich sah vom Straßenatlas auf. »Ganz okay, würde ich sagen.« Ich wollte nicht zugeben, dass ich Billy Joel ausschließlich von dem Musical Movin’ Out her kannte. Ich holte meine Snacks aus der Plastiktüte, stellte mein Cream Soda in den hinteren Getränkehalter und machte meine Packung Red Vines auf. Roger hatte sich reichlich mit Abba-Zabas eingedeckt und mir erklärt, dass
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