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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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zurücklegten. Am Pferdetrog vor der Veranda war der Rappe des Arztes angebunden. Das trifft sich ja gut , dachte sie säuerlich. Entrerríos stieß einen Pfiff aus. Die Haustür schwang auf; Xabier trat heraus und machte auf den Ruf des Knechts hin, er solle den Hausherrn holen, wieder kehrt. Kaum hatte Janna mit Entrerríos’ Hilfe wieder Boden unter den Füßen, kamen Reinmar und Doctor Cañellas herausgestürmt.
    «Ich glaube, mein Fuß ist gebrochen.» Sie reckte Reinmar das Kinn entgegen. In ihr brodelte noch der Ärger. Auf sich selbst und auf die Welt.
    ***
    Da ist nichts gebrochen , war Raúls Diagnose gewesen. Hochlagern, kühlen – Reinmar hatte in der Stadt für teures Geld Eis besorgt. Was hatte sie zu diesem Husarenritt getrieben, kaum dass sie wieder zu Kräften gekommen war? Was war der Grund für ihre Launen? Warum mochte sie an ihm nicht mehr, was ihr Gesicht früher zu verliebtem Glühen gebracht hatte? Er verzichtete darauf, im Haus gespornt herumzulaufen, und hatte den Degen wieder weggestellt. Er unterließ es sogar, ihr Blumengeschenke zu machen, seitdem sie die Bemerkung fallen gelassen hatte, dass der üppige Strauß voller Passionsblumen und Rosen sie an das Grab einer Indiofrau erinnerte.
    Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Das alles lag nur an dieser verdammten erzwungenen Reise.
    Seit dem Ausritt vor drei Tagen saß sie im Patio und malte Aquarelle. Immer das Gleiche: den Fluss und den Dschungel, doch nie die Weide, die Pferde oder das Haus. Wenn ich die Pferde nicht sehe, kann ich sie auch nicht malen , hatte sie auf seine Frage hin gemeint. Gut, aber war der prächtige Amarant kein schönes Motiv? Die Sonnensittiche in ihrem Käfig? Und zum Malen dieses kleinen Bootes mit der schattenhaft schwarzen Gestalt darin brauchte es ja offensichtlich auch kein Modell.
    Was ihr passiert ist, hat sie aus der Bahn geworfen , hatte Raúl gesagt und die Theorie in den Raum geworfen, dass sie sich mit diesen idyllischen Bildern eine andere Erinnerung aufzuzwingen versuche.
    Da ist bestimmt Schreckliches geschehen , war Frau Wellhorns Kommentar dazu gewesen.
    Reinmar plagte allerdings ein anderer Verdacht …
    «O nein! Bei Gott, nein!»
    Es war die Stimme der Fregatte, die wie ein gewaltiger Nadelstich durchs Haus schoss. Janna ruckte hoch und sank mit schmerzverzerrter Miene zurück in den Sessel. Beruhigend strich Reinmar ihr über die Schulter und erhob sich. «Wahrscheinlich hat sie nur eine Spinne im Etui ihres Lorgnons gefunden. Aber ich sehe mal nach.»
    Das war nicht nötig; Frau Wellhorn kam in unziemlicher Hast in den Innenhof gelaufen. Anklagend deutete sie auf den Mann hinter ihr. Der Mulatte in der Dienstbotenlivree des Uriarte-Hauses machte einen Diener. Zum Sprechen kam er nicht.
    «Er sagt, wir müssten die Hazienda räumen!», schrillte Frau Wellhorn. «Weil der Krieg kommt!»
    Japsend sackte sie auf einem der Stühle nieder, und Lucila, die neugierig gefolgt war, rannte zurück ins Haus; wahrscheinlich brauchte es wieder eine gehörige Portion Riechsalz. David steckte neugierig den blauschwarzen Kopf heraus, und auch der alte Xabier kam am Stock herangeschlurft. «Ich bin hier alt geworden und bleibe», verkündete er hoheitsvoll. Der Junge plapperte irgendetwas, und auch Lucila konnte, über Frau Wellhorn gebeugt, den Mund nicht halten. Reinmar klatschte in die Hände, und endlich schwiegen sie.
    «Bitte», er wies auf den Boten, der sich noch einmal verneigte.
    «Bolívar ist an der Küste gelandet», schnarrte der Mann tonlos, die Hände an der Hosennaht.
    «Ja, und?», schnaubte Reinmar. «Tut er das nicht ständig?»
    «Er verfügt inzwischen über eine schlagkräftige Armee, Señor. Und er ist auf dem Weg nach Angostura. Seine Exzellenz lassen ausrichten, dass Sie sich unverzüglich in den Schutz der Stadt begeben müssen.»
    «Wir sollen das Haus aufgeben?», fragte Janna. «Aber …»
    Schritte stampften. Entrerríos schob seine lange Gestalt unter dem Türsturz hindurch, tippte sich auf seine übliche beiläufige Art gegen den Hut und streckte einen Brief vor. «Hat mir der Briefträger in die Hand gedrückt», brummte er und verschwand wieder.
    «Noch eine schlechte Nachricht», hauchte Frau Wellhorn mit halbgeschlossenen Augen, während Lucila über ihr stand und das Fläschchen so wild hin und her schwenkte, dass sich der scharfe Geruch des Ammoniaks im ganzen Hof verteilte. Reinmar riss den Brief auf und faltete ihn auseinander.
    «Von Raúl.» Er wandte sich an

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