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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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seinen Namen. Am lautesten ihr Inneres. Sie könnte den Goldschmuck in den Fluss werfen, Humboldts Papier zerreißen – es würde nichts helfen. Zurück blieb ohnehin die Narbe an ihrem Unterarm, über die sie allabendlich zärtlich strich oder wütend kratzte. Es blieb die Narbe in ihrem Herzen, und wenn sie das noch so sehr als sentimental oder unsinnig abtat, es war so.
    Sie wollte, musste schreien, um zu sprengen, was ihr um die Brust lag. Ungeachtet jener zwei Fremden dort brüllte sie Arturos Namen, immer wieder, mit einem tiefen Grollen, das sich nach einem verwundeten Tier anhörte, und trieb zugleich die Stute zu einer schnelleren Gangart an. Sie heulte und schrie in den heißen Wind, der ihr die Tränen von den Schläfen riss. Fast blind stob sie durch den Weizen, zwang das Pferd mal hierhin, mal dorthin und ließ es einen langen Wirtschaftsweg entlangpreschen. Was sie tat, war töricht, aber das kümmerte sie nicht.
    Erst nach einiger Zeit fiel ihr auf, dass sich ihr jemand an die Fersen geheftet hatte. Ein Reiter preschte entlang eines anderen Feldwegs auf einem dunkelgrauen Criollohengst und kam auf gleiche Höhe. Was sollte das? Erstaunt erkannte Janna, dass die Gestalt in den engen Lederhosen und dem wehenden Poncho eine hochgewachsene Frau war. Es schien, als lächle sie ihr zu. Ob es aber ein freundliches oder ein höhnisches Lächeln war, konnte sie über die Entfernung hinweg nicht sagen.
    Janna holte aus ihrer Stute heraus, was sie vermochte. Die fremde Llanero-Frau hielt mühelos dagegen. Ein langer Zopf schlug im Takt des Galopps auf ihren Rücken. Doch bald kehrte sie in einem großen Bogen zu dem Mann am Lagerfeuer zurück. Winkte sie zum Abschied? Oder war auch das eine verächtliche Geste? Janna ritt weiter. Sie wollte am Fluss entlang, am Ufer rasten, wo sie sich das Reitkostüm schmutzig machen und Moskitos über sie herfallen würden. Du bist so dumm, hör schon auf damit , tadelte sie sich und zog so wütend an den Zügeln, dass der Fuchs einen Satz zur Seite machte. Ihre Kraft war aufgebraucht. Sie fand sich auf dem Erdboden wieder.
    Das hat ja so kommen müssen . Alle Glieder von sich gestreckt, lag sie schwer atmend im Staub. Die Stute kam näher, strich mit samtigen Nüstern über ihr erhitztes Gesicht und wandte sich gelangweilt ab. Ihr Fuß pochte. Na gut, es hätte schlimmer ausgehen können, hätte ihr Vater ihr nicht immer gestattet, auf deutsche Art zu reiten: unschicklich im Herrensattel. Der englische Damensattel sei eine Unsitte und gefährlich, wenn man stürzte. Reinmar sah es ebenso.
    Nur hatte sie ihn gar nicht um Erlaubnis für diesen Ausritt gebeten. Aber sie zu tadeln war nicht seine Art. Eher würde er die Dienerschaft anweisen, sie zu umsorgen, und ihr irgendetwas schenken, von dem er dachte, es könne sie über das Malheur hinwegtrösten. Sie wusste, es würde sie nur noch zorniger machen. Aufschreiend schlug sie mit der Faust auf die Erde. Sie war wütend auf sich und wütend auf die sinnlose Wut. Auf Arturo, weil er sie so verändert hatte, und auf Reinmar, weil er nicht imstande war, es rückgängig zu machen.
    Janna kämpfte sich auf die Beine. Der linke Fuß hatte ganz eindeutig gelitten. «¡Cajaro!», fluchte sie, humpelte zu der Stute und griff nach dem Sattel. Ohne eine Aufstiegshilfe würde sie niemals hinaufkommen. Irgendwo musste es hier doch einen Baumstumpf oder einen Findling geben?
    «Doña Janna?»
    Es war der erste Stallknecht, der hoch zu Ross wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stand, der Llanero mit dem finsteren Blick und dem geradezu furchteinflößend langen Bart. Grüßend hob er die Hand an den Sombrero.
    «Danke, Señor Entrerríos, aber ich komme zurecht», antwortete sie zähneknirschend. Hatte er etwa zugesehen? Natürlich, der Mann am Lagerfeuer, das war er gewesen. Und die Frau? Einen weiblichen Stallknecht gab es auf La Jirara nicht. Zu einer anderen Zeit hätte Janna ihn vielleicht nach der geheimnisvollen Frau gefragt, jetzt jedoch hatte sie weiß Gott andere Sorgen.
    «Das glaube ich nicht.» Entrerríos sprang ab. Der Mann übertraf noch Arturo an Größe, war aber schlaksig und krumm, als stemme er sich zeitlebens gegen den Wind. Kurzerhand packte er sie an der Taille und hob sie hoch. Er gab ihr die Zügel, schwang sich wieder aufs eigene Pferd und lenkte es an ihre Seite. «Ich bringe Sie zurück, Señora.»
    Janna schwieg verbissen, während sie die wenigen Meilen zur einsam auf den Weidegründen gelegenen Villa

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