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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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einem schiefen Lächeln ihre Hand zurück. Für hanseatisch steif und kühl hatte sie sich nie gehalten, doch diese blumige Ausdrucksweise prasselte auf sie nieder wie ein viel zu warmer Regenguss. Der Herr des Hauses, Marqués Felipe de Uriarte, ein kleiner, rundlicher Mann in einer schwarzen Uniform, deren rote Schärpe seinen Bauch kräftig betonte, hob ihre Hand an die unter einem pomadigen Schnauzbart verborgenen Lippen. Auch zwei Söhne und drei puppenhaft ausstaffierte Töchter machten artig ihre Aufwartung, dann wurden sie bis auf die älteste auf ihre Zimmer komplimentiert. Neidisch blickte das Mädchen der Schar hinterher, die eine Wendeltreppe hinaufeilte. Janna erinnerte sich noch gut an ihre Backfischzeit, die ja noch nicht lange zurücklag. Bei gesellschaftlichen Anlässen das Stillsitzen, Lächeln und Parlieren zu üben war eine ungeliebte Aufgabe.
    Janna wurde im Teezimmer von der resoluten Marquesa auf einem mit rotem Samt bezogenen Kanapee platziert. Jaguarfelle bedeckten den Boden. Mit Händeklatschen und einem nicht enden wollenden «Los, los!» dirigierte Doña Begoña die Dienerschaft. Drei Jungen trugen Silbertabletts voller Leckereien auf. In die barocken, mit goldenen Arabesken verzierten Tässchen schenkten sie ein, was das Herz begehrte. Janna war vorgewarnt: Der Kaffee schied aus, denn die Uriartes pflegten ihn mit Nelken zu würzen. Auf Tee hatte sie keine Lust, also hielt sie sich an den Kakao. Sie bekam ein schwarzes Schokoladenstückchen und einen Brocken verdickten Zuckerrohrsaft in ihre Tasse und darüber heiße Milch. Dieser Genuss übertraf alle bisherigen. Janna leerte ihre Tasse in Windeseile.
    «Wie schön, dass Sie wieder wohlauf sind! Man sieht Ihrer Figur die Entbehrungen gar nicht mehr an. Aber greifen Sie nur ordentlich zu, eine gewisse Fülle steht Ihnen.»
    Janna blickte unauffällig an sich hinunter. Sie war kein bisschen füllig. Man musste wohl so üppig wie die Marquesa gebaut sein, um das so zu empfinden. «Die Häppchen sehen einfach alle wunderbar aus; ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.»
    «Na, am besten der Reihe nach, dann lässt man nichts aus.» Doña Begoña führte ihr sogleich vor, wie man das Sahnegebäck, die mit exotischen Früchten gefüllten Blätterteigtäschchen, die gezuckerten Tamarindenkügelchen und das in Kakao und Krokant gewälzte Marzipan am schnellsten im Mund verschwinden ließ. «Und versuchen Sie das!» Sie nahm eines der Schokoladenbröckchen zwischen ihre behandschuhten Finger, stippte es in den für den Tee gedachten Honig und dann in die Schale mit Schlagsahne. Ihr Kinn, als sie die Pracht genüsslich kaute, ließ Janna an Pizarros wackelnden Hautlappen denken.
    Janna langte ordentlich zu. Alles war auf einem Bett aus Eis gut gekühlt. «Das kommt in Sägemehl verpackt aus Kanada», erklärte die Marquesa stolz und schlug mit ihrem Fächer der schmalen Tochter, die nach dem Marzipan greifen wollte, auf die Finger. «Du hast genug, Verónica.» Ja ja , dachte Janna mitleidig, wenn man noch auf dem Parkett des Heiratsmarkts herumsteht, muss man vorsichtig beim Futtern sein .
    Im Rauchsalon nebenan hatten sich die Herren versammelt: Reinmar, Cañellas und de Uriarte mit seinem Ältesten, der als Kadett in der Stadtfestung El Zamuro diente. Aus dem Nebenzimmer duftete es nach Schinkenspeck, Käse und den Eiern der Sandwiches. Zigarrenrauch wallte herüber. Zu Jannas Verblüffung ließ sich auch die Hausherrin eine Zigarre anzünden und lehnte sich genüsslich rauchend in ihren Fauteuil. Verónicas Husten bedachte sie mit einem tadelnden Blick.
    «Kind, erzähl doch der Dame ein wenig von unserer Familie», forderte sie das Mädchen auf, das gehorsam den Rücken streckte und sich räusperte. Janna vernahm mit einem Ohr, dass die Familie von einem Konquistador abstammte, der mit Kolumbus gesegelt war. Dass Miguel de la Torre, general de ejército , um drei Ecken mit der Familie verwandt war. Und dass sie – Verónica hob errötend den Fächer vor das spitzmäusige Gesicht – von seinem Sohn umworben wurde. Dazu nickte die Marquesa zufrieden, sodass die Pfauenfedern auf ihrem Turban wippten. Janna fragte sich, warum man sich die Mühe machte, indische Federn zu beschaffen, wenn die heimische Vogelwelt doch so bunt war. Mit dem anderen Ohr lauschte sie den Gesprächen im Raucherzimmer. Reinmar schwärmte von seiner Stute Alhambra, die er nächsten Sommer decken lassen wollte. Dann ging es natürlich um Politik: Bolívar hatte

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