An die Empoerten dieser Erde
nicht! Ihr könnt sehr wohl etwas dagegen tun! Geht so zahlreich auf die Straßen, dass die Regierungen nicht mehr darüber hinwegsehen können. Dann wird sich auch eure Lage ändern, nicht wahr?« Also, mein Aufruf an die Empörten dieser Erde ist als Aufforderung zu verstehen, die Politik ernstzu nehmen und sich mit ihr so stark auseinanderzusetzen, dass man am Ende neue Arten der gesellschaftlichen Entwicklung prägt!
Hinzu kommt etwas, worauf ich immer sehr gerne bestehe: Wenn man sich wirklich umsieht und sich fragt, was denn heute so vor sich geht, so sieht man nicht nur, dass die Jugend keine Arbeit mehr hat, sondern dass es auch immer wieder Gruppen gibt, die sich zusammentun und sich organisieren. Diesen Untergrund des Treibens, des positiven Treibens, findet man immer wieder, wenn man sich ein bisschen umsieht!
Es gibt also viel zu tun! Und dafür könnten sich die jungen Menschen ganz besonders einsetzen: für Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Wirtschaft, denn die bestimmen ihre Zukunft. So sollten die verschiedenen Ökologiebewegungen und Parteien wie Die Grünen unterstützt werden, die einen Einsatz in die richtige Richtung zeigen. Darüber hinaus sollte man von der Welthandelsorganisation strukturelle Reformen fordern, die zum Ziel haben, den ärmeren Ländern wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Wir verfügen über viele Instrumente! Aber wenn sich die jungen Menschen sagen, wir brauchen keine Instrumente, wir brauchen keine Parteien, wir bleiben unter uns und empören uns unter uns, dann genügt das natürlich nicht. Man muss sie überzeugen, ihre Dynamik und Energie dort einzubringen, wo es die Möglichkeit gibt, gemeinsam mit allen anderen vorwärtszukommen.
R.M.: Kommen wir auf Palästina zu sprechen: Sie engagieren sich für die Palästinenser und für die Erschaffungeines palästinensischen Staates und arbeiten auch im Russell-Tribunal zu Palästina. Palästina ist ein Anlass zur Empörung. Weshalb?
S.H.: Ich war ein Freund und Unterstützer des Staates Israel, als er 1948, ich war damals etwas über dreißig Jahre alt, gegründet wurde. Ich sagte mir nach der Shoah, die ich am eigenen Leib erfahren habe, ohne, im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, deren Opfer zu werden, ich sagte mir, wir brauchen einen Staat für die verfolgten Juden. Aber ich dachte auch, dass dieser Staat nicht das ganze historische Palästina umfassen kann, denn es gibt auch viele Araber – die müssen auch ihren Staat haben.
R.M.: Sie sprechen von »Arabern«, aber nicht von den Palästinensern. Weshalb? Kam das damals nie zu Bewusstsein, dass man nicht einfach von »Arabern« sprechen konnte, sondern dass es da Unterschiede gab?
S.H.: Der Unterschied ist, dass England ein Mandat bekommen hat, ein Mandat über ein Territorium und nicht über ein bestimmtes Volk.
R.M.: Gut, das nannten die Engländer einfach Territorium, aber die Palästinenser nannten sich immer Palästinenser.
S.H.: Aber in den 1940er Jahren, als die Teilungspläne reiften, hat man von Palästinensern nicht gesprochen, sondern nur von einer geographischen Bezeichnung. Man wusste, dass es innerhalb dieses geographischen Bezirks schon viele Juden und Christen neben den Arabern gabund dass sie alle zusammen früher ein Teil der Ottomanen waren, aber von Palästinensern wurde nicht gesprochen.
Die Teilung in 55 % des historischen Palästina zugunsten Israels und 45 % zugunsten der Palästinenser empfand ich als eine mögliche Lösung. Ich wusste
aber nicht, dass schon diese Lösung für viele Palästinenser zu einem großen Problem wurde, mussten sie doch ihre Städte und Dörfer 1948 verlassen. Dann
aber kam der Sechs-Tage-Krieg 1967, und seitdem hat sich Israel ganz anders verhalten, als man es von einem richtigen demokratischen Mitglied der UNO
erwarten kann und muss. Die UNO kann kein Land dulden, das ein anderes Land besetzt und kolonisiert und internationale Vereinbarungen bricht. Was die
israelische Regierung unternimmt, empfinde ich als etwas, das direkt den Menschenrechten und den internationalen Vereinbarungen, die ich befürworte,
zuwiderläuft. Deshalb bin ich dafür, dass wir den Palästinensern helfen müssen. Sie brauchen internationale Anerkennung. Es ist schade, dass gerade jetzt
Mahmud Abbas’ 45 Vorstoß, die Anerkennung eines palästinensischen Staates vor die Vereinten Nationen zu bringen,
steckenbleibt. Noch ist nicht alles ausgeschlossen. Aber wir wissen bereits, dass es leider mindestens eine Macht
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