An die Empoerten dieser Erde
der jungen Generation, die eine Welt will, in der diese großen Gefahren erkannt und gewaltlos bekämpft werden, damit sie sich auflösen.
Das alles steht in diesem Buch von dreißig Seiten ungefähr so beschrieben. Aber es gehört natürlich dazu, nachdem man dieses Buch gelesen hat und man sich engagieren will, mit dem zweiten kleinen Buch weiter nachzudenken. Aber auch große Soziologen und Philosophen und politisch denkende Menschen, wie zum Beispiel der Schweizer Jean Ziegler 3 oder der Franzose Edgar Morin 4 , der der Autor des Buchs La voie . Pour l’avenir de l’humanité ist, bieten uns gute Möglichkeiten zum weiteren Nachdenken.
Wir sind alle zusammen verbunden in einer interdependenten Welt. Kein Problem kann nur mehr von einem Land geregelt werden, selbst die Schweiz kann das
nicht tun. Man hat manchmal das Gefühl, jaja, die Schweiz, die kann sich schon allein organisieren. Sie braucht die anderen nicht, sie ist während der
Kriege immer neutral gewesen, daher kann sie auch ihr gutes, ruhiges Leben weiterführen, ohne sich interessieren zu müssen, wasaußerhalb ihrer Grenzen vor sich geht. Das ist natürlich völlig falsch! Sei es noch so gut regiert oder noch so kraftvoll, es gibt keine Lösung nur für ein Land, egal ob es nun um die Vereinigten Staaten, Israel oder die Schweiz geht. Kein Land kann mehr hoffen, allein weiterzukommen, ohne mit der ganzen Weltgesellschaft verbunden zu sein. Das ist das Neue an unserer Epoche! Das müssen wir alle noch lernen, und dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.
Natürlich müssen wir uns erst mal empören. Es ist nicht gut, zufrieden zu sein, denn wenn man zu zufrieden ist, dann tut man nichts mehr, und dann wird man auch ganz blass. Aber wenn man rot sein will und auch groß sein will, dann muss man schon wissen, wofür man kämpfen soll, damit wir diese Gefahren, die wir jetzt erkennen, gewaltlos überwinden können. Das ist die Botschaft, die ich immer sehr gerne Älteren, Jungen oder noch Jüngeren und auch Kollegen gebe: Seid mutig, aber seid vertraut!
Es gibt diese Möglichkeit, eine Welt aufzubauen, in der es allen so gut wie nur möglich geht, auch wenn sie sehr verschiedene Kulturen und sehr verschiedene Glauben haben. Sie können gemeinsam eine harmonische Welt hervorbringen! Das wünsche ich jeder und jedem von Ihnen in diesem großen Saal, dass alle sich dafür einsetzen, die großen Gefahren unseres Jahrhunderts anzuerkennen und mutig gegen sie anzukämpfen! Danke schön!
Stéphane Hessel im Gespräch
mit André Marty und dem Zürcher Publikum
André Marty 5 : Herr Hessel, besten Dank für diese Auslegung. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich gerne versuchen herauszufinden, auf welcher Basis denn diese teils doch sehr pointierten Ideen, Vorschläge und Provokationen letztendlich basieren. Ich schlage vor, ich schmeiße einfach ein paar Daten in die Runde. Wir hören mal, was Ihnen da spontan in den Sinn kommt. Was denken Sie denn, wenn Sie sich an das Jahr 1937 erinnern?
Stéphane Hessel: Ach so, ja, da war ich zwanzig Jahre alt, nicht wahr? Da gab es für mich etwas sehr Interessantes in
Frankreich, nämlich den Front populaire 6 . Politisch stand ich immer auf der linken Seite. Damals kam mit Léon
Blum als Premierminister ein Jahr lang die Hoffnung auf, dass die französische Demokratie sozialistisch vorwärtsschreiten könnte. Aber 1937 herrschte auch
der Spanische Bürgerkrieg, er war schon weit vorangeschritten, und die Nationalsozialisten waren am Zug. Es warauch eine Zeit, in der Österreich den Deutschen zufiel und Mussolini gegen Libyen und gegen Albanien kämpfte. Man muss sagen, dass Europa jahrhundertelang der Schauplatz von Kriegen gewesen ist.
Was bedeutete Europa also damals? Europa bedeutete: Kämpfe, Kriege, die unterschiedlichsten Länder waren gegeneinander aufgebracht! Der größte Erfolg meiner Generation ist für mich, dass wir das überwunden haben. Damals, im Jahr 1937, war ich zwanzig, heute bin ich 94 Jahre alt. Gestern zum Beispiel kamen in Brüssel alle Europäer zusammen, das zeigt doch, dass wir seit 1937 schon vorwärtsgekommen sind!
A.M.: Spannend, dass Sie nicht automatisch auf die Antwort kamen, dass sie damals als Deutscher zum französischen Staatsbürger naturalisiert wurden.
S.H.: Da haben Sie ganz recht! Aber dazu muss ich sagen, dass ich mich schon seit meiner Jugend als Franzose fühlte. Die Tatsache, dass man damals einen Jungen nicht einbürgerte, bevor er das Alter von
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