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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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weitum in der Region, hier wurde immer noch die Möglichkeit eines anderen Lebens erprobt. Immer häufiger jedoch gab es Phasen, in denen Tom sich überfordert fühlte, keine Leute mehr sehen, keine Gespräche mehr führen und keine Feste mehr feiern wollte.
    Für sich sein musste.
    Oder allein mit Elisa.
    Elisa war in sein Leben gekommen.
    Den Freunden ging es ähnlich. In den nächsten Jahren zogen alle langsam aus. Sie gaben dem Beruf und einem geregelten Leben den Vorrang, gründeten Familien, schufen sich jenes Terrain, das sie kurz zuvor, arrogant und unwissend, als Bürgerlichkeit verachtet hatten.
    Tom blieb im Lamandergrund.
    Bedauert, beneidet und bewundert.
    Das Haus war sein Uterus.
    Der Bach floss und grub.
    Manchmal gab es Hochwasser.
    Oh the seas will split
    And the ship will hit
    And the sands on the shoreline will be shaking
    Then the tide will sound
    And the wind will pound
    And the morning will be breaking …

6
    Elisa.
    Sie war an der Bushaltestelle gestanden.
    Ein schlankes Mädchen. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der manchmal über ihren Rücken fiel, manchmal über die Brust an der linken Seite. Nie eine Masche am Ende des Zopfes. Nie Lippenstift. Immer geschminkte Augen. Immer in Jeans. Immer hielt sie mit verschränkten Armen eine henkellose Aktentasche vor dem Körper.
    Jeden Morgen an Arbeitstagen stand sie da um die gleiche Zeit.
    Jeden Morgen um die gleiche Zeit fuhr ein Rettungswagen vorüber. Er brachte die Nierenpatienten der Region zur Dialyse in das Kreisspital. Am Steuer saß ein Sozialhelfer. Auch er war immer derselbe. Morgennebel, Morgenschnee, Morgenblüten. Morgenlächeln. Als es Sommer wurde, war es zum Lachen geworden.
    Da hielt er einen Zettel an die Windschutzscheibe:
    TELEFONNUMMER??
    Auf Pappendeckel schrieb sie für den nächsten Tag:
    FRECHHEIT!
    NEIN! WUNSCH
    BILLIGER SCHMÄH
    Max ERNST!
    WAS SOLL DER MAX?
    ERKLÄR ICH DIR SPÄTER
    Das ging hin und her. Zum Gaudium der Buspendler an der Haltestelle und der Kranken im Rotkreuzwagen. Sie fieberten mit, fragten sich, wie es weitergehen würde. Für die beiden war es längst mehr geworden. Wenn das Mädchen tagelang fortblieb, war er unruhig, wusste nichts mit sich anzufangen. Dann, eines Morgens, endlich:
    GIBT ES EIN SPÄTER?
    JA!!!
    IM ERNST?
    MIT HAUT UND HAAR
    SO DIREKT?
    ALLE WEGE FÜHREN ZU DIR
    UND DRAN VORBEI?
    NEIN. HALTESTELLE
    LET’S TRY
    WANN? WO?
    MORGEN, 18.00 UHR, GRILLPARZ
    Der Grillparz war ein gewagter Treffpunkt: vom Dorf eine Dreiviertelstunde zu gehen. Er ist der Hausberg der Dörfler und der umliegenden Gemeinden. Ist biederer Jausenplatz, Ziel für Sonntagsausflüge, Kinderspiele und Verbrüderungen. Seine Kuppe ist waldlos, darum geht der Blick weit über das Land, Gaukelei von Enthobensein. Die Jugend feiert Feste, zündet Sonnwendfeuer, treibt nachts eigene Machenschaften. Matthias nennt ihn sarkastisch den Katholenhügel , er mag den Berg nicht. Im Grunde ist der Grillparz kein Berg. Er ist nur ein 842 m hoher Vorberg und aus der Ferne sieht er aus, als ob er eine Tonsur hätte, mit einem Kranz Wald rundherum. Der Lamandergraben hat an seiner Flanke seinen Anfang. Der Name ist ein Meisterstück – man kann an Grillen denken, an Parzen oder an Grillparzer. Allein wegen seines Namens liebte Tom den Berg, den er auch Berg nannte.
    Grillparz also. Wollte sie ihn prüfen? War es ein surrealer Scherz? Kannte sie oder hatte sie nachgeschlagen, wer Max Ernst war?
    Das wäre ein guter Anfang.
    Es war ein guter Anfang.
    Der Wipfel der alten Wetterlärche auf dem höchsten Punkt war abgebrochen. Der Baum war zerzaust, vom Wind gebeutelt. Die Wiesen rundum waren zur Sommerzeit gemäht, nur an den Wegrändern standen weißer und roter Klee, vereinzelt Kamille, Dorniger Hauhechel und Lila Bettlerknopf. Schmetterlinge suchten das Süße, Schwalben jagten nach Mücken. Rings lagen die Berge, Hügel und Täler zwischen Donau und dem Hochgebirge. Im Alpenvorland das unterschiedliche Gelb reifender Felder, die Vierkanthöfe mit leichter Hand ins Land gestreut. Bestelltes Bauernland. Ordnung, Erbe und reiche Ernte. War es Frieden? War es sein Trugbild unter dem Himmel, über den die Wolken zogen bis zum zerrissenen Horizont?
    Das erste Aufeinander-Zugehen.
    Der erste Abend.
    Aber was ist Zeit?
    Die Liebe höhlt sie aus und macht sie sich zur Wohnstatt, mit Ausblick in alle Tage und Nächte.
    Wenige Wochen nach diesem ersten Treffen zog Elisa in das Lamanderhaus. Tom richtete ein

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