Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
Vom Netzwerk:
Meckern und wurde dann erst charmant.
    Einige Tage zuvor war Ringlottenernte bei Roberta und Parmenides gewesen. Tom hatte Reinhold mitgenommen, um zu helfen. Sie standen auf den Leitern und pflückten und schüttelten die Früchte, die Roberta zu ihrer delikaten Marmelade einkochen würde. Einige junge Leute von der POLIKULT waren da und ein junges Mädchen, Verena, die eine Zeit lang bei Roberta und Parmenides bleiben wollte. Reinhold stand schnell im Mittelpunkt. Der kleine Mann mit den agilen Bewegungen war offensichtlich attraktiv für Frauen. Nothing succeeds like success, dachte Tom und sah es ohne Neid. Reinhold hatte die Gabe, auf andere Menschen zuzugehen, ja, auf sie einzugehen und sie schnell in ihren Eigenheiten zu erkennen und zu bestärken. Blitzgneiser hieß das im Dialekt des Dorfes.
    Elisa lachte viel mit ihm. Tom war froh, sie fröhlich zu sehen. Sie war oft still in letzter Zeit, missmutig sogar. Du bleibst einfach stehen, Tom, hatte sie gesagt. Trat er wirklich auf der Stelle? Und sie, sie ging weiter? Wohin? Du hörst mir nicht zu … Sie hatten lange, ermüdende Diskussionen über die Zukunft. Das war neu. Es überfiel ihn und er war wehrlos dagegen, auch ungeduldig. Es war doch alles gut so, wie es war?
    Parmenides sagte beim Abschied zu Tom: Du kennst doch die Schilder, die die Leute neuerdings gerne an ihre Gartentüre montieren. Beware of the dog. Tom wusste nicht, was er damit meinte.
    Die Welt, hat aber leider einen Sprung, Risse
    *
    Ich lebe wirklich in Büchern. Ich möchte die nächsten Jahrmillionen mit den schönsten Büchern leben, dann bin ich in meiner Welt
    Natur, schau, dass du alle Menschen schlachten kannst!
    Wie sollte Tom dieses Kind nicht lieben, das dem normalen Leben genommen worden war und sich unter Schmerzen und großer Anstrengung eine Gegenwelt aufbaute. In Tom hatte es zum ersten Mal jemanden gefunden, der hellhörig genug war, in Johannes den Menschen zu sehen, der – wie Tom später in seinem Nachwort zu den gesammelten Aufzeichnungen schreiben wird – „die abendländische Philosophiegeschichte nachvollzog von den Vorsokratikern über Spinoza bis zu Nietzsche und weiter“.
    Irgendwo muss das Restliche da sein, das es nicht gibt
    Jeder hat seine eigene Rechtheit
    Welche Rechtheit hat Elisa? Welche er selbst? Warum ist es so weit gekommen, dass einer von beiden recht haben will? Und stimmt es, was Elisa ihm vorwirft, dass er aus seinem antibürgerlichen Tick nicht herausfindet, dass es langsam Zeit wird für geordnete Verhältnisse? I’m not prepared for eternity , hat er vor kurzem zu ihr gesagt, hat sie das so gekränkt? Welche geordneten Verhältnisse, es ist doch alles klar zwischen ihnen, da gibt es nichts zu ordnen, aber warum, fragt er sich selbst, sperrt er sich gegen ihren Wunsch, einen Ring zu tragen, „meine Frau“ zu sagen statt „meine Freundin“. Warum hatte das auf einmal Bedeutung, wenn er doch Formen immer als bedeutungslos betrachtet hat, als unwichtiges Äußeres, also könnte er genauso gut Ja sagen, was ist aus ihnen geworden, ist da schon vorher etwas kaputtgegangen, schleichend, dieses Fremdwerden zwischen zwei Atemzügen, es gibt ganze Romane darüber, aber dennoch ist es das Einzige, worüber er schreiben möchte, ja, nur über diese Sekunden zwischen einem Blick und dem nächsten, dem Beginn des Begehrens und dessen Ende, was geschieht in einer einzigen Umdrehung, das möchte er wissen. Und warum hat er ihren Wunsch nach einem Kind – ja, das ist doch normal, dass sie es auch sagt, dass sie eines will, das darf er ihr doch nicht vorwerfen, warum reden sie eigentlich darüber und machen es nicht einfach, er hat ja selbst schon manchmal davon gesprochen, er liebt ja Kinder, und sie lieben ihn, also was ist das Problem, warum stört es ihn, dass sie danach fragt? Weil sie im selben Satz sagt, der Reinhold, der versteht das, oder bildet er sich das nur ein, täuscht ihn die Erinnerung, so taktlos würde sie doch nicht sein, so etwas würde sie doch gar nicht mit Reinhold besprechen, oder war es ihr Ton, waren es ihre Augen, die in diesem Moment alle Zärtlichkeit verloren hatten, waren sie schon längst herausgefallen aus diesem Kokon der Zärtlichkeit, in dem alles unverletzbar ist? Sie dachten doch, dass das nie enden würde, dass es auf immer war, was ist immer, was ist nie, was ist jetzt und was früher, welche Zeit machen wir uns selbst, welche Lügen entwerfen wir, um so weiterleben zu können, wie es uns genehm ist, warum ist

Weitere Kostenlose Bücher