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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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blieb.
    Dominik und seine Eltern kümmerten sich unauffällig um Getränke und Essen. Florians vergrößerte Kunstfotografie zur Sonnenfinsternis wurde zu einem stattlichen Preis versteigert – Oliver erwarb sie für die Zentrale seiner Münchner Agentur. Matthias hielt eine launige Rede auf den Grillparz, ein Meisterstück der Satire.
    Elisa war als Gastgeberin perfekt. Ihre große Erfahrung im Umgang mit Menschen machte sie attraktiv für alle, sie war der Mittelpunkt vieler Gesprächsgruppen, konnte leichthin wechseln zwischen Plauderei und ernsthafter Diskussion und sah hinreißend aus mit aufgestecktem Haar und High Heels. Für Roberta und Parmenides war sie wie eine Tochter, sie bewunderten ihre Umsichtigkeit und ihre Toleranz für Toms Leben. Nur manchmal, wenn sie mit anderen Männern sprach, war etwas Kokettes in ihrer Stimme, das fremd wirkte und Parmenides Sorgen bereitete.
    Gegen drei gingen die letzten Gäste.
    Nebelschwaden lagen über dem Bach.
    Elisa zog Tom auf das Verandabett.
    *
    Es kehrte wieder Ruhe ein.
    Der November war frostig, aber klar.
    Das Licht schwand von Tag zu Tag.
    Sonne kam keine mehr über den Böschungswald.
    Bereits am Nachmittag wurde es Abend.
    Tom machte sich auf den Weg zu Franz, dem Riedlbauern, der ihm Holz versprochen hatte, das Tom dringend brauchte. Es war frostig im Haus. Auf den Scheunendächern lag Reif, der sich oft bis zum Abend hielt und nachts eine neue Schicht dazu baute.
    Dominik begleitete ihn, um dem Freund – denn das war Tom längst geworden – von seinem Studium der Montanistik zu erzählen. Die Studienberechtigungsprüfung sei schwer, aber zu bewältigen gewesen, sagte er. In der Werkstatt des Riedlhofes wollte Dominik nach ungenützten Geräten suchen, die er brauchen könnte, wenn er Tom beim Reparieren half.
    Dominik war ein auffallender junger Mann geworden, groß, schlaksig und höflich, unverschnürt sein Gesicht. Er redete und fragte viel und hatte seine ursprüngliche Lebendigkeit wiedergewonnen. Das Wort Professor X. mied er. Wie tief es noch als Refrain in seinem Kopf und seinen Albträumen wirksam war, war schwer zu sagen. Der Zivildienst und diese neue Verantwortung für die in der Gesellschaft Gestrandeten hatten ihm gut getan. Er war als Zerstörter hingekommen und als erfolgreicher Tröster und Vermittler gegangen. Leben meistern, hieß es, Selbstbewusstsein stärken. Geblieben war ihm allerdings eine auffallende Härte gegenüber Unrecht, das anderen widerfuhr, eine aufbrausende Ungeduld, als ob er nicht darüber reden wollte.
    Der Weg zum Riedlbauern führte zunächst am Ufer des Lamanderbaches entlang. An Blumen für Anjuschkas Gedenkkeuz hatten sie nicht gedacht. Die Herbstweiden nach dem düsteren Waldstück waren zertrampelt von den Tritten der schweren Pinzgauer Kühe, die bis vor zwei Wochen hier gegrast hatten. Jetzt lagen die Stacheldrähte der Zäune bereits auf der Erde und die Holzpfähle standen unnütz im Grünbraun der Wiesen.
    Auf der Anhöhe zogen sich zur Rechten die Hügel in nacheiszeitlichen Wellen bis zu den Donauebenen hin, zur Linken kämpften schroffe, unbewohnte Vorberge, steil bewaldete Spitzen und Felsrippenformationen um das Vorrecht ihrer Existenz. Schienen sich verdrängen und übertrumpfen zu wollen, waren allesamt noch nicht Hochgebirge, gebärdeten sich jedoch als solches und gaben in ihrer Gesamtheit ein Bild, das an Fotografien chinesischer Landschaften erinnerte. Stattliche Vierkanthöfe lagen an der Straße, Wehranlagen gleich. Traktoren standen vor den Scheunen und Zeughäusern, oft zwei oder drei Meter hoch, Erntemaschinen, Heurechen, Heuwender, Siloballenwickler, Mistführer und Gabelstapler. Treber lagen vor den Mostpressen. Die Nussbäume hatten längst ihr Laub abgeworfen, ein Kind suchte nach den Früchten. Ein Wadelbeißerhund kam gelaufen und bellte.
    Von weitem schon war zu sehen, dass es um das Anwesen des Riedlbauern schlecht stand. Die Hofzufahrt war verwildert. Riesige Container lagen unter den Obstbäumen, einige davon begannen schon zu rosten. Es waren Transkontinental-Container, sie waren leer. Das Rostwasser rann in das Gras und gab ihm eine rötliche Farbe. An einem Zwetschgenbaum lehnte eine Leiter, es fehlten einige Sprossen. Die Stallmauern sollten dringend gekalkt werden, die Eingangstüre dürfte einmal von schönem Flaschengrün gewesen sein, jetzt war sie fast schwarz, die Schnalle hing nur mehr an zwei Schrauben.
    Franz saß am Küchentisch vor einem Bier, zwei leere

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