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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mich die ganze Nacht damit herumgequält und immer wieder überlegt, ob ich vielleicht besser dieses oder jenes getan hätte. Ich war damals noch sehr jung, ungefähr in Ihrem Alter, schätze ich, und ich war nie mit besonders großem Selbstvertrauen gesegnet.« Kitty Michaud lachte bitter. »Mein Vater hat mir immer gesagt, ich würde es nie zu was bringen, und wahrscheinlich glaubt man so was mit der Zeit.«
    Ihr Blick schweifte zu Abigail, die mit den Perlen an Indias Hals spielte. »Immerhin habe ich es geschafft, Jimmy ein bisschen Milch einzuflößen. Ich habe ihn die ganze Nacht im Arm gehalten, um ihn zu wärmen. Gegen Morgen muss ich eingeschlafen sein, weil ich so müde war, und als ich aufgewacht bin, kam Mr. Pharoah zu mir und fragte, ob ich mich um das Kind kümmern könne, während er die Formalitäten wegen der Beerdigung erledige. Ich habe natürlich Ja gesagt. Nach ein paar Tagen ist der ganze Schnee geschmolzen, und sie haben die arme Rosanne beerdigt. Ich dachte, danach würde er sich vielleicht fangen. Es heißt ja, dass mit der Beerdigung so was wie ein Schlussstrich gezogen wird und man sich dann wieder dem Leben zuwenden kann, aber das kann ich nicht bestätigen. Zumindest in diesem Fall hat sich damit nichts geändert. Pharoah hat behauptet, das Kind sehe merkwürdig aus, es sei nicht normal. Jimmy hatte sehr helle Haut und fast weiße Haare, beinahe wie ein Geist, das stimmt schon. Aber er hatte die wunderschönsten blauen Augen.«
    In der Stille hörte India ein Auto auf der Straße vorbeifahren und das Kreischen der Möwen am Fluss. »Und Sie haben sich dann weiter um den Jungen gekümmert?«, fragte sie teilnahmsvoll.
    Â»Es war keine Mühe. Er war so ein entzückendes Baby. Dann ist Mr. Pharoah erst mal verschwunden. Er hat gesagt, er brauche Zeit zum Nachdenken. Ich glaube, er hat die ganze Zeit getrunken. Er hat jedenfalls schlimm ausgesehen, als er zwei Wochen später zurückkam. Als wäre er um mindestens fünf Jahre gealtert. Und dann hat er mir ein Angebot gemacht. Er hat gesagt, wenn ich Jimmy bei mir behielte, würde er mich dafür bezahlen, aber nur unter der Bedingung, dass ich aus der Gegend wegziehe.«
    Â»Und das haben Sie getan?«
    Â»Ja. Er hat es zwar nie direkt gesagt, aber er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er dafür sorgen würde, dass ich nie wieder arbeiten kann, wenn ich nicht zustimme. Außerdem hatte ich mich seit seiner Geburt um Jimmy gekümmert, und er war mir schon ans Herz gewachsen. Ich habe immer eine Schwäche für kleine Kinder gehabt, deshalb bin ich auch Hebamme geworden, und es hätte mir das Herz gebrochen, ihn wegzugeben. Also bin ich nach Medway zurückgegangen. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Den Leuten habe ich erzählt, ich hätte Jimmy adoptiert, er wäre ein Findelkind. Ich habe genau gewusst, dass manche von den Nachbarn dachten, er wäre mein eigener, unehelich geborener Sohn, und ich habe gemerkt, wie sie auf mich heruntergeschaut haben. Aber das war mir egal.«
    Â»Und mein Mann? Hat er Sie jemals besucht?«
    Â»Nur ein einziges Mal.« Kitty Michaud glättete das Patchworkdeckchen auf der Rückenlehne des Sessels. »Jimmy war da schon krank. Ich vergesse bestimmt nie, wie Mr. Pharoah ihn angesehen hat. Als hätte der Junge nie geboren werden dürfen. Er ist höchstens eine halbe Stunde geblieben. Er sagte, er würde mir weiterhin jeden Monat Geld überweisen, und wenn etwas passieren sollte, dann solle ich seinem Anwalt in Boston schreiben. Er hat mir die Adresse dagelassen. Danach habe ich ihn nicht wiedergesehen.«
    Â»Was hat Jimmy gefehlt?«
    Â»Das weiß ich bis heute nicht.« Kitty Michaud schüttelte langsam den Kopf. Minuten vergingen, ehe sie erneut zu sprechen begann. »Ich habe die ganze Zeit gehofft, es wäre irgendeine Kinderkrankheit, die wieder vergehen würde. Aber es wurde immer nur schlimmer. Am Anfang war er ganz in Ordnung, aber ungefähr vom vierten Monat an ist es abwärts gegangen. Er ist so unruhig geworden. Er konnte nicht dasitzen und lachen wie Ihre kleine Tochter, und seine Haut war ganz schlecht, so trocken. Er hat immer Ekzeme gehabt, obwohl ich wirklich alles versucht habe –Zinkoxid und Kieselerde und Lebertran. Und er hat immer so muffig gerochen, ganz sonderbar. Aber das Schlimmste war, dass er sich nicht entwickelt hat. Er

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