An einem Tag wie diesem
gekommen, um jemanden zu treffen.
»Eine Frau?«
»Eine alte Freundin.«
Delphine stöhnte. »Ich habe es gewusst.«
»Was gewusst?«
»Dass du mich hier sitzen lässt. Mitten im Nichts.«
»Ich lasse dich nicht sitzen. Das ist eine uralte Geschichte. Ich habe sie in zwanzig Jahren nur einmal gesehen. Und das ist auch schon zehn Jahre her.«
»Wann triffst du sie?«
»Ich weiß noch nicht einmal, ob sie hier ist. Vielleicht ist sie auch in den Ferien.«
»Du fährst von Paris in die Schweiz, um sie zu treffen, und weißt nicht, ob sie hier ist?«
Andreas sagte, er werde Fabienne anrufen, er sei gleich zurück. Er ging zu den Umkleidekabinen und holte sein Handy. Er rief die Auskunft an und ließ sich die Nummer geben. Die Vorstellung, gleich mit Fabienne zu sprechen, machte ihn nervös. Er ging schnell ein paar Mal auf und ab und dann bis ganz ans Ende der großen Liegewiese. Er lehnte sich an den Maschendrahtzaun und schaute hinaus in den Wald, der hier begann. Es roch nach Erde und Moder. Als Andreas die Nummer eintippte, war er plötzlich nicht mehr sicher, ob er sie sich richtig gemerkt hatte. Fabienne nahm ab. Sie meldete sich mit Manuels Nachnamen. Andreas sagte seinen Namen, und es war einen Moment lang still.
»Das ist eine Überraschung«, sagte Fabienne, aber ihre Stimme klang nicht überrascht, und Andreas konnte nicht sagen, ob sie sich freute oder ob ihr sein Anruf unangenehm war. »Wie geht es dir?«
»Ich bin hier.«
»Hier im Dorf?«
»Im Freibad.«
Er sagte, er würde sie gerne treffen. Ob sie Zeit habe. Sie sagte, Manuel sei mit Dominik an den See gefahren. Sie wollten gegen fünf wieder zu Hause sein. Andreas solle doch zum Abendessen kommen.
»Manuel freut sich bestimmt.«
»Am Abend habe ich keine Zeit. Geht es auch früher?«
Fabienne zögerte, dann sagte sie, sie sei den ganzen Tag zu Hause.
»So gegen drei?«
»Einverstanden.«
Andreas ging zurück zu Delphine und sagte, er habe sich um drei verabredet.
»Ich nehme an, ich bin nicht erwünscht bei diesem Treffen.«
»Sie ist verheiratet«, sagte Andreas. »Aber es wäre bestimmt nicht sehr interessant für dich. Du würdest nichts verstehen. Und wir werden ohnehin nur von alten Zeiten reden.«
Seit dem Mittag waren immer mehr Kinder in die Badeanstalt gekommen. Sie spielten Frisbee und Ball und rannten kreischend auf der Liegewiese herum.
»Wollen wir gehen?«, fragte Delphine.
Sie sagte, sie werde sich ein wenig hinlegen im Hotel. Andreas sagte, wenn sie Lust habe, könnten sie am Abend Fisch essen gehen an den Untersee. Er werde einen Tisch reservieren. In dem Restaurant hätten sie oft Familienfeste gefeiert.
Der Nachmittag war schwül, und es sah nach einem Gewitter aus. Andreas ging durch das Viertel mit Einfamilienhäusern, das jenseits der Umgehungsstraße entstanden war. Fabienne hatte ihm den Weg erklären müssen. Als er ein Kind gewesen war, hatte es hier nur Wiesen und Felder gegeben.
Die Straßen des Viertels waren nach Wiesenblumen benannt. Jedes Haus war anders gebaut, und doch sahen sie alle gleich aus mit ihren weißen Fassaden und roten Ziegeldächern. Das Haus von Fabienne und Manuel stand am Ende einer Sackgasse. Der Garten war von einem Holzzaun eingefasst und wirkte gepflegt und aufgeräumt. Auf der Wiese standen eine Rutsche aus Plastik und ein blaues Igluzelt.
Noch bevor Andreas geklingelt hatte, öffnete sich die Haustür, und Fabienne trat heraus. Sie trug weiße Jeans und eine weiße Bluse und sah sehr schön aus, frisch und entspannt. Andreas spürte die Befangenheit, die ihn in ihrer Gegenwart immer erfasst hatte.
»Unser Schloss«, sagte Fabienne lächelnd und streckte Andreas die Hand hin. Er nahm die Hand und küsste Fabienne auf die Wangen. Sie sagte, er solle hereinkommen. Ob er das Haus sehen wolle? Sie führte ihn vom Dachboden bis zum Keller und erzählte Geschichten über die Gasheizung und die Waschmaschine. Die Räume waren nicht besonders originell, aber geschmackvoll eingerichtet. Außer unzähligen Familienfotos hingen keine Bilder an den Wänden. Als Fabienne ihm das Kinderzimmer zeigte, fragte Andreas, wie alt der Junge sei.
»Er ist total verrückt nach Wasser«, sagte Fabienne.
»Wir haben einen Wohnwagen am See. Im Sommer sind wir jedes Wochenende dort und manchmal auch an den Abenden.«
»Auf dem Grundstück von Manuels Eltern?«
»Es liegt im Naturschutzgebiet«, sagte Fabienne. »Man darf nichts bauen, aber der Wohnwagen wird geduldet.«
»Ich war ein paar Mal
Weitere Kostenlose Bücher