Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
wir den Stoff an die Decke im Schlafzimmer hängen?«
    »Warum nicht?«
    »Dann hätten wir ein Dach aus Liedern über unseren Köpfen.«
    »Ein Dach aus Liedern?«
    »Und Geschichten. Ich würde es gerne sofort aufhängen.«
    »Sehr wohl!«
    Mit einer albernen Verbeugung in ihre Richtung macht er sich auf den Weg, den Werkzeugkasten zu holen.
    Die Kobolde lieben die weißen Kleider; wer weiße Kleider trägt, den lehren sie tanzen.
    »Linke Ecke weiter nach rechts. Noch ein Stück, ja, so!«
    Paul sitzt auf der obersten Stufe der Stehleiter, bläst sich das Haar aus dem Gesicht, steckt den Hammer in den Hosenbund und strahlt sie an.
    »Das gefällt mir! Ein kleines afrikanisches Schlafhaus mit Partitur in leuchtend gelb!«
    »Schließe die Augen und sing ein Lied von der Jagd, bevor du
mich tötest«, sagte die Spinne zum Leoparden, »das wird allen verkünden, wie stark und mächtig du bist!« Der Leopard tat, wie ihm geheißen, und die Spinne nutzte seine Blindheit zur Flucht.
    »Paul, habe ich dir erzählt, dass ich als Kind nachts Lieder für meine Schwester erfunden habe?«
    Er lässt sich von der Leiter gleiten, legt sich neben Marta aufs Bett. »Ihr wart euch mal sehr nah, oder?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Seine Hand schiebt sich unter ihren Nacken, wandert zu Martas Wange hoch, zieht ihre Schläfe an seine.
    Was ist ein Haus mit vielen Gewehren darin? Die Frucht der Borassus-Palme mit ihren hundert Kernen.
    »Denkst du nach, über das, was Kati über deinen Vater gesagt hat?«
    »Während ich diesen Stoff ansehe, fallen mir dauernd afrikanische Sprichwörter und Geschichten ein. Ich wundere mich selbst, wie viele noch in meinem Kopf rumgeistern.«
    »Marta, ich habe dich etwas gefragt.«
    »Der Mann heißt Richard. Ich glaube nicht, dass wir über ihn reden müssen.«
    »Was, wenn er dich sehen will, bevor er stirbt?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn schon.«
    »Er ist dein Vater.«
    Marta befreit sich von Pauls Hand, dreht ihren Kopf aus seiner Armbeuge heraus und rückt im Aufrichten ein Stück von ihm ab.
    »Ob ich über ihn nachdenke, willst du wissen? Ob er schon zu schwach ist, um die Flasche zum Mund zu führen oder ordentlich zuzuschlagen, darüber denke ich nach! Ob seine Kraft noch zum Brüllen reicht. Was meinst du, konnte er inzwischen seinen
Sprachschatz erweitern, obwohl ich, das ›Dreckstück‹, die ›verräterische Hure‹, die ›Sau‹, schon jahrelang nicht mehr in seiner Nähe war? Ich muss das nicht wissen, glaub mir! Mein Vater? Du hast keine Ahnung, wer oder was dieser Mann ist!«
    »Hast du die denn?«
    Über ihr verlieren sich zwei rote Dreiecke. Das könnte ein Webfehler sein.
    Der Gott Niamye ging eine Frau besuchen. Da vergaß er die Zeit, so dass es dunkel wurde und er über Nacht im Menschendorf bleiben musste.
    Weil er aber tanzen wollte, hat er die Laute erfunden und ließ sie von den Menschen nach seinen Angaben bauen.
    So machen sie’s bis heute.
    »Marta …«
    Paul setzt sich auf und versucht sie zu halten, als sie beim Abstützen auf der Bettkante das Gesicht verzieht.
    »Lass mich!«
    »Du solltest mit Sophia reden. Ruf sie an und triff dich mit ihr. Ich würde mitgehen, wenn du das willst.«
    »Ich glaube kaum, dass sie das toll fände. Das ist alles Vergangenheit, kümmert mich nicht mehr, geht mich nichts an! Dich im Übrigen auch nicht. Ich dachte, das wäre klar. Warum fängst du jetzt auf einmal an, mich damit zu nerven?«
    »Ich habe gesehen, wie du das Foto deiner Mutter angeschaut hast.«
    »Ja, und?«
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass du sie abgeschrieben hast.«
    Sein Blick, diese Mischung aus Fürsorge, Mitleid und Verständnis: unerträglich! Wahrscheinlich sagt er ihr gleich, dass jeder das Recht auf eine zweite Chance hat oder dass sie Greta
immerhin ihr Leben verdankt. Und Richard, der arme todkranke Mann, den keiner lieb hat. Helfersyndrom, denkt Marta, wenn er damit anfängt, verlasse ich ihn.
    »Auf welcher Seite stehst du eigentlich, Paul?«
    »Ist das eine Frage?«
    Er lässt den Kopf auf die Brust sinken, fährt sich mit den Händen durchs Haar, flüstert fast: »Wovor fürchtest du dich so? Warum musst du dir deine Leute dermaßen vom Hals halten?«
    Marta starrt ihn an. »Das weißt du nicht?«
    Er bleibt stumm auf dem Bett sitzen, als sie die Wohnung verlässt.

    Der Vietnamese im Spätkauf hat wie immer den Fernseher ohne Ton laufen. Menschen bilden einen Kreis, halten sich an den Händen, die Beine steif nach hinten

Weitere Kostenlose Bücher