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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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heraus, ungefähr zwei auf vier Meter groß, das Ganze aus zehn Zentimeter breiten, in rechteckige Felder unterteilten Bahnen zusammengenäht. Goldgelb leuchtender Grund, darauf Muster aus Quadraten, unterschiedlich geformten Vierecken, Streifen, Trapezen in Rot, Grün und Schwarz. Marta fährt mit den Fingern über das Gewebe, zeichnet einzelne Muster nach.
    »Das scheint heute ein afrikanischer Tag zu sein.«
    Paul räumt das Geschirr in die Spüle und breitet den Stoff über die ganze Breite des Holztischs.
    »Die Verkäuferin meint, es kommt aus Ghana und wird als Festgewand von den Ashanti getragen. Man erkennt daran, welche gesellschaftliche Position der Träger hat. Sie sagt, jeder Stoff und jedes Muster hat eine eigene Bedeutung. Beim Weben wird gesungen: Geschichten oder Sprichwörter, aus denen sich die Muster ergeben.«
    »Man könnte das Ding wahrscheinlich als Liederbuch benutzen.«
    »Gefällt es dir?«
    »Sehr!«

    Mädchen waren da, sie saßen im Gras, sangen und flochten einander kleine Zöpfe, die in alle Richtungen abstanden. Marta hatte sie von weitem gehört, schlich sich heran und versteckte sich bei der Hibiskushecke, bis die Mädchen sie bemerkten.
    »Komm, Kleine, keine Angst! Komm schon her, wir beißen nicht!«, rief eine, und alle lachten.
    Sie machen sich nicht über mich lustig, dachte Marta, sie wollen mich dabeihaben.
    »Weißt du, wie unser Lied geht? Nein? Pass auf, ich sag es dir auf Französisch, dann singen wir auf Baoulé:
    Fällt ein Holzstück in den Sumpf,
fällt’s in den Sumpf,
wird’s doch kein Krokodil!
Verdient mein armer Liebster Geld,
verdient er Geld,
so ist er doch nicht Prinz!
    Sie hob beide Zeigefinger, ließ sie vor Martas Nase tanzen, wiegte den Körper im Rhythmus ihres kehligen Singsangs, bis alle einstimmten. Marta versuchte die Worte stumm zu formen, begann sich einzuschwingen, wagte es schließlich mitzusingen, von Mal zu Mal lauter.
    »Gut! Du kannst es! Jetzt bring uns ein Lied in deiner deutschen Sprache bei!«
    Marta schüttelte untröstlich den Kopf, schluckte die aufkommenden Tränen hinunter und fürchtete in diesem Moment nichts so sehr wie die Möglichkeit, die Mädchen könnten sie aufgrund ihrer Unwissenheit wegschicken.
    »Du kennst kein Lied aus deinem Volk? Was bist du denn für ein Kind? Dann musst du unsere lernen!«

    Auch wenn die Gazelle ganz betrunken ist,
    so kennt sie doch die Spur des Leoparden.
    Sie fassten Marta bei den Hüften, drehten sie im Kreis, lachten laut auf, als sie taumelnd zu Boden ging und kichernd liegen blieb.
    »Macht ihr mir auch Zöpfe?«
    Viele Finger krochen auf Martas Kopfhaut herum, kitzelten und ziepten leicht, das fühlte sich schön an.
    »So weiches Haar, viel zu weich!«
    Sie flochten trockene Halme hinein, denn Marta wünschte sich kleine Stäbchen-Zöpfe, so wie sie: rund um den Kopf wie dunkle Sonnenstrahlen.
    »Fertig! Jetzt siehst du aus wie eine kleine Baoulé!«
    Wieder Gelächter, Gesänge, Klatschen, Drehen. Beim Tanzen konnte sie fühlen, wie es auf ihrem Kopf wippte: vierundzwanzig kleine Antennen, »Bitte: für jede von ihnen ein neues Lied!« Das wäre ihnen beinahe gelungen.
    Marta hatte ihn nicht kommen sehen.
    »Was soll das hier werden? Marta! Hiergeblieben!«
    Ein harter Griff nach ihrem Arm hielt sie zurück, eine Hand flog auf sie zu, ihre Wange brannte.
    »Ich habe gesagt, du sollst nicht versuchen vor mir wegzulaufen, wenn ich mit dir spreche!«
    Die Mädchen waren verschwunden. Am Abend wurden Martas Haare abgeschnitten, ganz kurz, während sie gegen das Weinen ankämpfte, um sich nicht noch eine Ohrfeige einzufangen. Greta fegte den Boden auf, legte die kleinen Zöpfe nebeneinander auf die Kehrschaufel und schwieg.
    In dieser Nacht ließ sie die Eltern einen besonders qualvollen Tod sterben. Die Baoulé-Mädchen suchten sich einen anderen Ort, um ihre Lieder zu singen. Marta sah sie nie wieder.

    Der Specht Bobobogbo sagte zu den anderen Tieren: »Ihr könnt alle nicht gut hacken. Wartet, wenn meine Mutter stirbt, dann werde ich sie in einem Baumstamm begraben, und ihr alle werdet ihrer eingedenk sein.«
    Als dann aber die Mutter starb, war gerade sein Schnabel geschwollen, und er konnte ihr kein Grab hacken. Da lachte der Leopard ihn aus und hatte kein Mitleid mit seiner Trauer. Die Spinne aber kam und spann der toten Spechtmutter ein Netz.

    Paul schaut sie amüsiert an. »Träumst du?«
    Obwohl die Gabunviper nicht fliegen kann, hat sie den Nashornvogel gefangen.
    »Können

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