Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
ihrer älteren Schwester hatte, meinte einmal, es wäre unnötig, Zerwürfnisse in die nächste Generation hinein fortzusetzen. Trotzdem widersprach sie nicht, als Marta ihr entgegnete, es wäre besser, einander zu verpassen, wenn man sich nicht helfen könne. »Der Krug, der mit Lehm gekittet ist, hält kein Wasser mehr«, zitierte sie Mamadou, und Raphaela nickte betrübt. Sie hörte diesen Satz nicht zum ersten Mal aus Martas Mund. Es hatte keinen Sinn, damals wie heute nicht.
    Ein zurückgewiesenes Foto, eine verworfene Telefonnummer sind kein Anfang. Bedeuten nichts. Sollten vergessen werden.

    Als sie auf dem Rückweg im Café vorbeischaut, hat die Aushilfe Dienst, die seit einigen Wochen bei ihnen arbeitet. Die Frau mit den kurzen blonden Locken, die sich von allen »Picco« nennen lässt, obwohl sie Dorothea heißt, stellt eine Schüssel neben der Theke auf den Boden, legt ihre rechte Hand auf Yannis’ Kopf, der
sich erstaunlicherweise gelassen von ihr liebkosen lässt, bevor er schlabbernd über das Wasser herfällt.
    »Du kommst nicht etwa doch noch arbeiten?«
    Sie deutet auf Martas lahmgelegten Unterarm und stellt eine Tasse Espresso vor ihr ab.
    »Nein, ich will nur etwas abholen. Wo ist Valentin?«
    »In der Küche.«
    Er hat ein zerschlissenes Küchenhandtuch um die schmalen Hüften gebunden und rührt mit ausladenden Bewegungen in der großen gusseisernen Pfanne, an der die Gasflammen hochschlagen.
    »Seit wann kochst du? Das riecht gut! Gibst du mir einen Teller davon?«
    Valentin zieht die Pfanne vom Feuer, schüttet zischend eine helle Flüssigkeit hinein und schiebt die beschlagene Brille in die Stirn.
    »Paul war hier und hat dich gesucht. Er ist früher fertig und wartet in der Wohnung auf dich. Warum hast du dein Telefon nicht an?«
    »Der Akku ist leer.«
    »Wie immer!«
    Marta streicht ihm über die verschwitzte Wange, schnappt sich ein Stück von dem Haufen klein geschnittener Paprika, der auf einem Brett neben dem Herd liegt, und wendet sich zum Gehen.
    »Wo ist die Tüte mit meinen Sachen?«
    »Im Büro. Sehen wir uns später noch?«
    »Keine Ahnung, vielleicht.«

    An der Wohnungstür spielt Yannis verrückt, springt an der Klinke hoch und rast jaulend in Richtung Küche. Es duftet süß
und einladend. Die Fenster sind weit geöffnet, der Flur aufgeräumt, aus dem Wohnzimmer klingt Klaviermusik.
    Paul sieht erschöpft aus, lächelt aber, als er bemerkt, dass Marta in der Tür steht und ihm beim Wenden der goldbraunen Teigfladen zusieht.
    »Dein Bruder steht auch gerade am Herd.«
    »Wie geht’s dir? Hast du schon gegessen?«
    »Einer von denen passt schon noch rein, wenn du mir beim Kleinschneiden hilfst.«
    Paul beginnt einen Pfannkuchen mit Marmelade zu bestreichen.
    »Wie war dein Vormittag?«
    »Bin mit Yannis in der Stadt herumgewandert. Und bei dir?«
    »Das eine Model kam zu spät und musste dann noch eine halbe Stunde lang zurechtgemacht werden, bevor ich die Kamera auch nur anheben durfte; die andere Frau lag angeblich mit Virusgrippe im Bett und hat kurzfristig abgesagt. Von dem schnöseligen Bildredakteur, der alles besser wusste, schweige ich lieber. Der Verlag wird sich hundertprozentig aufregen und wegen der Rechnung rumzicken. Manchmal habe ich die Nase gestrichen voll von dem Auftragszeugs. Was macht die Hand?«
    »Geht so.«
    Er hat Blumen mitgebracht. Gelbe, langstielige Rosen, die er in einer Glasvase auf dem Küchentisch arrangiert hat. Marta denkt, sie sollte das kommentieren, aber ihr fällt nicht ein, was sie dazu sagen könnte. Paul bemerkt ihren Blick. »Die habe ich am Set mitgehen lassen«, sagt er und schiebt mit dem Fuß den Fotokoffer zur Seite, während er zwei Teller vor ihnen abstellt.
    »Was ist in der Papiertüte?«
    »Ein Spiel, es heißt Bao, Wari oder Awaré, je nach Gegend. Hab’s in einem neuen Laden in der Sredskistraße gefunden, ich
kenne das von früher und dachte, es könnte dir gefallen. Man nimmt die Kauris einer Mulde auf und verteilt sie über die folgenden möglichst so, dass am Ende der Reihe welche einkassiert werden können. ›Aufessen‹ haben wir das genannt. Hier ist die genaue Anleitung.«
    »Ich habe auch etwas für dich. Es lag bei einem Straßenhändler zwischen Trommeln, Armreifen und Ledergürteln. Ich fand, es sollte dir gehören.«
    Paul verschwindet und legt kurz darauf grinsend ein mit Kordel verschnürtes Bündel auf den Tisch. Was sich durch das Packpapier weich und formlos anfühlt, stellt sich als ein Stück Stoff

Weitere Kostenlose Bücher