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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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sie für immer zu Feindinnen machte, obwohl sie zuvor Freundinnen gewesen waren.
    Die Kobolde im Wald hörten von dieser Sache und beschlossen, von nun an die Toten bei den Toten zu lassen und sie nicht wieder ins Leben zu holen, denn dies führte zu Streit und Hader.
    Aus diesem Grund gibt es heute kein Mittel mehr gegen den Tod. Die Kobolde aber zogen sich tief in den Wald zurück, um dem Gejammer der Trauernden zu entfliehen. Niemand kennt den Ort, an dem sie zu finden sind.

    »Erinnerst du dich an das Buch mit den Baoulé-Geschichten?«
    Sophia nickt. »Ja, natürlich. Es ist bei Greta.«
    »Nicht mehr. Sie hat es mir gestern Abend gegeben.«
    »Wirklich?« Sophia wirkt nicht überrascht, räumt Geschirr in den Schrank, betrachtet nachdenklich die zwei unberührt gebliebenen Tassen. »Kati und Mama werden sich wohl nicht mit uns an diesen Küchentisch setzen und sich mit scheußlichem Kaffee bewirten lassen?«
    »Sieht nicht so aus«, sagt Marta.
    »War wohl keine gute Idee, euch hierherzulotsen.«
    »Hattest du viel Kontakt zu ihm?«

    »Nein.«
    Mit einem Knall wirft Sophia die Schranktür zu, wischt mechanisch die Spüle trocken. »Der ganze Kram, ich wollte, ich hätte das schon alles ausgeräumt.«
    »Musst du das machen?«
    »Du solltest sehen, wie es unten aussieht. Vor ungefähr zwei Jahren hat er sämtliche afrikanischen Sachen von Wänden und Regalen genommen, in Kisten verpackt und in den Keller geschafft: Masken, Figuren, Stoffe, Schmuck, alles in die Verbannung. Keine Ahnung, warum. Vielleicht konnte er das Zeug nicht mehr ertragen. Hier oben befindet sich ohnehin noch genug anderer Plunder.«
    »Wieso fühlst du dich verantwortlich?«
    Sophia wehrt die Frage mit einer Bewegung ihrer Hände ab, dreht beide Handflächen nach außen, wirft sie nach hinten bis an die Schultern und verschränkt sie vor ihrem Bauch. Wie früher, denkt Marta, sie nannte es Sophias »Bleib-mir-weg-Geste« und hatte sie zu respektieren gelernt. Also gut, keine Antwort.
    Marta erschrickt fast, als Sophia doch noch etwas dazu sagt: »Wer soll sich denn sonst darum kümmern? Ich bin schließlich die Älteste.«
    Marta sieht sie vor sich, wie sie vorhin auf dem Friedhof stand in ihrem dunkelblauen Mantel. Wie der Wind ihr ins Haar fuhr und sich ihre Hand langsam zum Gruß hob. Ich war lange weg, hatte Marta gedacht und sich zu der Frau auf der anderen Seite des Grabes gewünscht, die fremd und vertraut zugleich aussah. »Meine große Schwester ist die Einzige, die ich manchmal vermisse«, hatte sie Paul am Strand erzählt und die Fortsetzung des Satzes weggelassen.
    Die strikte Verweigerung jeglicher familiären Bindung war ein Überlebensprinzip gewesen. Wenn Marta jetzt darüber nachdachte,
klang das ziemlich abgeschmackt. Mit Anfang dreißig war es wohl Zeit, lang gepflegte Schutzmechanismen in Frage zu stellen, zumal niemand mehr in der Gegend herumlief, der ein Jagdgewehr auf sie richten wollte.
    Sophia setzt an, etwas zu sagen: »Du warst …« Sie hält inne, holt Luft, zieht an einem der Griffe vor sich. »Ich wollte eine andere Lösung finden als du«, presst sie hervor und beginnt in der Besteckschublade die Löffel ineinanderzulegen: fein säuberlich nach Größe, in einer Reihe. Marta möchte ihr die Schublade vor der Nase zuschmettern, sie packen, schütteln und anschreien, dass in ihrem Fall weder von Lösung noch von Finden die Rede sein kann und dass nicht sie es war, die das Bündnis zuerst aufgegeben hat, lässt den Gedanken aber wieder fallen. Was weiß sie schon über ihre Schwester?
    Notwehr, denkt Marta, wir haben jede unsere eigene Form, sie zu praktizieren; belassen wir es dabei: Halbwahrheiten, mit denen sich Versionen von Erinnerung zurechtschmieden lassen, um damit leben zu können. Dafür, dass Sophia Richard mindestens ein Mal Martas Aufenthaltsort verraten hat, gibt es keinen Beweis. Viel zu früh, viel zu riskant, das gesamte Paket aufzuschnüren.
    Vielleicht haben wir irgendwann einmal genug Vertrauen und Zeit dazu.
    Oder die Freiheit, es zu lassen.
    »Hast du dich auch um die Beerdigung gekümmert?«, fragt Marta. Sophia nickt, ohne zu ihr hinzusehen.
    »Und die Inszenierung auf dem Friedhof, die hast auch du veranlasst?«
    »Welche Inszenierung?«
    »Fahne hoch, Fahne runter …« Marta bereut ihre Worte augenblicklich, als Sophia sich mit einer Mischung aus Ärger und
Enttäuschung zu ihr wendet. »Ich kann damit genauso wenig anfangen wie du, Marta. Aber seine alte Studentenverbindung war

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