An und für dich
meinem Büro sprechen.«
»Klar.« Saffy schleppte sich müde die Metalltreppe hinauf. Jetzt, da sie wusste, dass sie schwanger war, fühlte sie sich auch so. Sie war kurz davor, sich mit der Hand den Rücken zu stützen und den Bauch herauszustrecken.
Auf Marshs riesigem leeren Schreibtisch standen nur einige wenige, ausgesucht schöne Gegenstände: eine rosa Pfingstrose in einer schlanken weißen Vase, ein Hermès-Kalender mit Krokodilledereinband, eine weiße Porzellantasse mit Untertasse. Jeden einzelnen Gegenstand hatte Marsh dort hingestellt, um etwas über sich auszusagen, das wusste Saffy. Ich bin schön, ich bin organisiert, ich bin wertvoll . So viel Selbstverliebtheit musste anstrengend sein. Woher nahm Marsh nur die Energie dafür?
»Ich bin nicht glücklich«, sagte Marsh, und das in so einem Plauderton, dass Saffy einen Moment lang dachte, Marsh wolle sich ihr anvertrauen. Als wäre das hier das Gespräch unter Frauen, das sie seit Langem nötig hatte. Dann sah sie ihre Augen. Kalt wie Gletscher.
»Und da bin ich nicht die Einzige. Es haben auch noch andere Leute aus dem Team so ihre Zweifel an deiner Arbeitsmoral.«
»Na ja, ich musste natürlich in letzter Zeit öfter im Krankenhaus sein, und ...«
»Ach, hör auf! Ich bin Chefin eines Unternehmens und keine Kummerkastentante. Du bekommst ein fantastisches Gehalt, und zwar, damit du fantastische Arbeit leistest. Aber das Einzige, was du wirklich fantastisch machst, ist, ständig Scheiße zu bauen.«
»Marsh, ich mache meine Arbeit sehr wohl. Die Rollen für den Spot sind besetzt. Das Budget ist abgesegnet. Wir können drehen.« Saffy stieg das Blut ins Gesicht. Blut, in dem Hormone schwammen, viele, viele Hormone.
»Ich bin sogar zum Vorproduktionsmeeting gekommen, als meine Mutter im Koma lag, und du zweifelst an meiner Arbeitsmoral?«
Marshs winzige Nasenflügel bebten. »Wie bitte?«
»Du hast mich schon verstanden. Und das kannst du Simon auch gleich ausrichten, der ist nämlich der einzige andere in diesem Laden, der behaupten würde, ich gebe mir nicht genug Mühe. Ich gebe mir sehr große Mühe. Hör endlich auf, mich so anzuzicken, lass mich einfach in Ruhe.«
Marsh nickte so heftig, dass Saffy Angst bekam, ihr dünner Hals könnte durchbrechen. »Von mir aus. Ich lass dich in Ruhe. Für immer.«
Saffys Herz sprang ihr in der Brust herum, als wollte es entkommen. Marsh hatte sie genau da, wo sie sie hatte haben wollen. Sie war ihr in die Falle gegangen. Das durfte nicht sein. »Bitte, Marsh ...«, setzte sie an.
»Halt die Klappe«, sagte Marsh. »Du bist gefeuert.«
»Du schmeißt mich raus? Zehn Tage, nachdem ich dich und Mike beim Sex auf der Bürotoilette erwischt habe? Na, so ein Zufall.«
»Willst du mich etwa erpressen?«
»Du kannst mich nicht einfach ohne Vorwarnung rausschmeißen.«
Marsh lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie lächelte. »Ich habe dich drei Mal mündlich verwarnt, Saffy. Wegen deiner unglaublichen Unpünktlichkeit. Es gibt Zeugen. Mehr brauche ich vom Gesetz her nicht zu tun.«
Saffy lächelte zurück. »Verstehe! Du schmeißt mich raus, weil ich schwanger bin!«
Marsh riss die Augen auf. »Ich wusste gar nicht, dass du schwanger bist.«
»Tja, jetzt weißt du es«, sagte Saffy. »Und dafür, dass ich es dir jetzt erst erzählt habe, gibt es keine Zeugen.«
Sie gewann. Das sah sie Marsh an.
»Der Mutterschutz beträgt neun Monate. Wo habe ich denn mal was über Arbeitgeber gelesen, die versucht haben, ihre Angestellten rauszuschmeißen, damit sie den Mutterschutz nicht bezahlen mussten? Ach ja, in einer Gerichtsreportage.«
Marsh versuchte zu lachen. »Du bist nicht schwanger! Das ist doch genauso eine Geschichte wie die, die du dem armen Dermot erzählt hast, dass dein Vater einen Herzinfarkt gehabt hätte. Du lügst.«
»Nein«, antwortete Saffy, zog ihr Jerseykleid straff und zeigte Marsh vergnügt ihr winziges Bäuchlein. »Ich lüge nicht.«
Marsh lehnte sich wieder zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich geb dir drei Monate Gehalt. Ja oder Nein.«
Saffy erinnerte sich an eine Verhandlungsstrategie, die Marsh ihr selbst beigebracht hatte. Sie hieß »Wer zuerst redet, hat verloren«.
»Versuch bloß nicht solche blöden Spielchen mit mir.« Marsh verdrehte die Augen. »Darin bin ich sowieso besser als du.«
Anscheinend war sie das jedoch nicht, denn sie sprach als Erste wieder.
»Vier Monate. Mein letztes Angebot.«
»Sechs. Und ein Arbeitszeugnis. Und ich behalte
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