An und für dich
Vicky versprochen, dass sie sich für den jungen Engländer einsetzen würde, den die beiden entdeckt hatten. Er hatte ein großartiges Treatment eingereicht und offensichtlich große Lust auf das Projekt. Der Ire war billiger, aber seine Demoaufnahmen waren veraltet und langweilig, und sie hatte im Gespräch mit ihm gemerkt, dass er den Witz mit »Cheese sagen« nicht verstand.
Leider betrug der Preisunterschied zwischen den beiden satte fünfzigtausend Euro, und deshalb würde es sehr schwer werden, Marsh auf ihre Seite zu bekommen.
»Ich habe den englischen Regisseur so weit heruntergehandelt, wie es ging«, sagte Saffy zögernd, »und ich weiß, dass er das wirklich toll machen wird. Es ist ja auch nicht nur Werbung für Avondale, sondern auch für Komodo. Mit dem richtigen Regisseur für unsere Idee kriegen wir mit Sicherheit einige Preise.«
»Schön und gut, aber was kostet er denn nun?« Simon hatte sich die Haare zu nervtötenden kleinen Spitzen hochgegelt, und seine Krawatte hatte exakt denselben nervtötenden Farbton wie seine Augen. Eigentlich fand Saffy alles an ihm nervtötend, besonders die Tatsache, dass er den Avondale-Auftrag betreuen durfte, wenn sie in den Flitterwochen war.
»Ähm, in Euro umgerechnet würde der Preis bei 239.876,71
liegen«, antwortete Mike, der das für eine ernst gemeinte Frage gehalten hatte. »Plus Mehrwertsteuer ...«
»Versenkt!« Simon tat so, als würde er einen Korb werfen. »Der Ire kostet nur 189.000 Euro. Wenn wir den nehmen, haben wir fünfzigtausend mehr Gewinn.«
»Ich hab da eine Idee.« Marsh schlug die Beine übereinander, wodurch für einen winzigen Moment einige Zentimeter ihrer perfekt durchtrainierten, gebräunten Oberschenkel unter dem hautfarbenen Stella-McCartney-Kleid sichtbar wurden.
»Wie wär’s, wenn wir das Ganze ein wenig interessanter gestalten? Wenn wir den Iren nehmen und der liebe Simon sich den Arsch aufreißt, sodass wir am Ende trotzdem genauso gute Aufnahmen haben, bekommen alle an diesem Tisch einen hübschen, kleinen Bonus von fünftausend Euro.«
Mike und Simon sahen Saffy an. Sie sah auf die beiden Kostenvoranschläge, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Aber sie nahm sie gar nicht wahr. In Wirklichkeit sah sie die Rechnung für die Flitterwochen in Antigua vor sich. Greg hatte ihr vorhin eine SMS geschickt und gefragt, ob sie das in ihrer Mittagspause bezahlen konnte. Die Rechnung betrug genau 4.960 Euro.
Auf dem Poster an der Bürotür stand: Jesus liebt dich, aber morgen früh will er nichts mehr von dir wissen.
Vicky sah sich online Fotos von Venedig an.
»Machst du Urlaub in Italien?«, fragte Saffy.
»Nein. Ich hab nur …« Sie schloss den Browser. »… gerade etwas recherchiert.«
»Sag dem Kostümchen doch die Wahrheit.« Ant steckte einen Bleistift in seinen Alessi-Anspitzer. »Erzähl ihr, dass du das Hotel ausspioniert hast, in dem dein beschissener Freund mit seiner Frau übernachtet.«
Vicky fuhr herum. »Klappe, Ant! Josh hat der kleinen Lindsay die Reise nach Venedig zum Geburtstag geschenkt, und seine Exfrau kommt nur mit, weil Lindsay Asthma hat. In Venedig ist die Luft sehr feucht. Außerdem schlafen sie in getrennten Zimmern.«
»Ja, klar.« Ant überprüfte die Schärfe der Bleistiftmine an seinem Zeigefinger. Sie hinterließ einen kleinen, grauen Punkt. Es sah aus, als hätte es wehgetan. Saffy holte tief Luft. Es war nicht leicht, das jetzt zu sagen.
»Hört mal, ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten. Wir hatten gerade das Avondale-Meeting, und ich wurde überstimmt. Der irische Regisseur macht leider den Werbespot. Ich habe ab morgen frei, aber Simon macht für Donnerstag einen Termin mit der Produktionsfirma.«
Ants Gesicht verfärbte sich. Die Röte begann oben auf seinem rasierten Schädel und breitete sich langsam über das ganze Gesicht aus, über seine kleinen, wütenden Augen, bis hin zu seinem spitzen Kinn. Sie floss weiter über seinen Hals und verschwand unter seinem schwarzen Banksy-T-Shirt.
Er schnaufte lautstark und warf den Anspitzer auf den Fußboden. Sein Inhalt verteilte sich auf dem Teppich. Saffy hatte auf Ants Hälfte des Fußbodens noch nie etwas anderes gesehen als Ants Schuhe. Es war verstörend.
Er öffnete eine Schublade und holte eine Schale mit grauen Büroklammern hervor. Er griff sich eine Handvoll und warf sie gegen die Wand.
»Ant! Reg dich ab«, seufzte Vicky. »Das ist doch kein Weltuntergang. Der englische Regisseur ist toll. Aber wir bekommen bestimmt
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