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Analog 07

Analog 07

Titel: Analog 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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wohl noch etwas lesen gehen. Oder etwas zusammennageln.
    Oder kurz und klein schlagen.
    Bis später.
     
    Okay. Fühle mich zwar noch nicht sonderlich besser, aber nicht mehr ganz so schlecht. Ist also Zeit, die Therapie fortzusetzen.
    Fürchte, augenblickliche Probleme werden noch verkompliziert durch dejà vu. Habe noch immer lebhaftes Bild vor Augen von Mama Fosters Körper, wenige Minuten nach ihrem Tod. Zeigte noch physische Ähnlichkeit mit der warmherzigen, klugen, lebhaften Frau, deren grenzenloses Interesse, unstillbare Neugier, bereitwilliges Staunen und aufrichtige Daseinsfreude meine Kindheit so bereichert haben.
    Aber der Körper ist nicht die Person – die Person war fort. Äußere Ähnlichkeit betonte nur noch deren Abwesenheit.
    So war es auch mit der Stadt: Bei flüchtigem Hinsehen konnte man keinen Unterschied feststellen. Hatte Ähnlichkeit mit der zufrieden geschäftigen, bescheidenen, ländlichen Kleinstadt glücklicher Kinderjahre. Dieselben hohen, schattenspendenden Bäume, dieselben schmalen Straßen, gepflegten, bequemen, zeitlosen alten Häuser. Altmodische Straßenlaternen, die die Geschäftsfronten der Hauptstraße bis hinunter in das Geschäftsviertel der Innenstadt erhellen, seit fünfzig Jahren unverändert, blicken auf den alten Dorfplatz. Mitten auf dem Rathausplatz, hundert Jahre alt, umgeben von Heldenstatuen, Mahnmalen des Ersten Weltkrieges und Klettergestellen, hell gestrichen und ausgestattet mit einer erhöhten Plattform für öffentliche Redner. Wenn ich in die andere Richtung die Straße entlangschaue, sehe ich meine Schule, einen efeuumrankten, roten Backsteinbau, ganz am Ende, gegenüber dem YMCA. Das Haus des Lehrers daneben sieht so hell, freundlich und einladend aus wie immer im Sonnenschein eines Sommernachmittags.
    Aber beim Öffnen der Tür, beim Betreten der Veranda, verschwindet die Illusion. Ein weitverbreiteter Irrtum gehört zur Mystik von Kleinstädten: Jedermann weiß, daß sie „ruhig“ sind. Dem ist jedoch nicht so, es gibt viel Lärm, aber den richtigen – angenehm, kaum wahrgenommen.
    Bis es ihn nicht mehr gibt.
    Die Stille ist ein Schock. Stimmt nicht genau, aber es dauert Minuten, um zu analysieren, warum es nicht stimmt, um das ungewohnte Gefühl zu identifizieren, das Fehlen jeglicher Geräusche.
    Spitze die Ohren, um die leiseste Andeutung eines vertrauten Geräusches zu hören. Man sollte ein vages Stimmengemurmel, Verkehrslärm von der Hauptstraße, Gesprächsfetzen, Geräusche und Gelächter vom Schulhof her hören. Abgesehen davon, es ist eine wirklich kleine Stadt, umgeben von Farmland, man sollte hören können, wie Traktoren über Felder tuckern, das Vieh auf der Weide brüllt. Man sollte hin und wieder dumpfes Brummen wie entferntes Schnaufen von der Autobahn hören, die an der Stadt vorbeiführt, gelegentliches, kaum wahrnehmbares Rumpeln von einem Flugzeug, sichtbar nur als wolkig-weiße Spur am blauen Himmel. Man sollte alle möglichen vertrauten Geräusche hören.
    Aber man könnte ebensogut in den Wäldern des Nordens sein, Geräusche, die das Ohr treffen, beschränken sich auf das Summen von Insekten, Vogelrufe, Wind, der durch die Blätter streicht.
    Auch die visuelle Illusion verliert sich schnell. Knietiefes Gras breitet sich aus, wo makellos gepflegte Gärten waren, wucherndes Wachstum hat die ehemals exakt mathematischen Umrisse der Hecken verwischt. Häuser auf beiden Seiten der Straße zeigen erste Anzeichen der Vernachlässigung: vereinzelte zerbrochene Fenster, offenstehende Türen, fehlende Dachpfannen. Ein halb entwurzelter Baum lehnt sich auf Potters Haus, im Putz sind Risse, die Dachrinne ist zerbeult, das Dach eingedrückt.
    Straße selbst ist blockiert von einem Auto, das in einem ganz verrückten Winkel stehengelassen worden ist, mit einem Plattfuß, zerbrochener Heckscheibe, offenstehender Fahrertür. Nähere Untersuchung ergibt, daß Swensens schicke gelbe Rakete nichts weiter als eine ausgebrannte Hülle ist, das Dach größtenteils abgerissen, nur wenige Fenster noch heil, Schmutzflecken auf den halbverschmorten Türen und Fenstern, umstehende Bäume angesengt.
    Und der Gestank! Hätte ich nicht drei Monate lang eingeschlossen in eigener Luft gelebt, ich bezweifle, daß ich es in unserer Nachbarschaft hätte aushalten können. Noch immer war es schlimm genug, um mein Frühstück beim ersten Atemzug wieder postwendend hinauszubefördern. Was dann auch geschah. Glücklicherweise ist der Mensch so beschaffen, daß er

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