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Analog 07

Analog 07

Titel: Analog 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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warnte ihn davor, es noch einmal zu versuchen. Habe damit einen zeitweiligen Sieg errungen: Gegner fing sofort wieder mit dem Spiel an, machte aber nur geringe Fortschritte. Hätte gern ein Gestell oben aus dem Haus. Dort gibt es drei – alle schon elf Jahre alt und noch nicht demoliert (Sitzstangen bestehen allerdings auch aus hartem, überpolstertem Beton – diese Kleinigkeit trägt vermutlich entscheidend bei zu ihrer Langlebigkeit).
    Glaube, das ist alles für heute. Achten Sie darauf, weitere aufregende Einzelheiten nicht zu verpassen.
     
    Zwei Monate – kaum zu glauben, daß es noch nicht tausend Jahre sind. Einstein hatte recht: Zeit ist relativ. Hoffe, es geht nicht so weiter, sonst bleibt sie wahrscheinlich noch ganz stehen. Habe mich schon oft gefragt, ob das nicht schon geschehen ist.
    Nicht daß der Eindruck entsteht, ich langweilte mich. Wie soll man sich langweilen unter dem unablässigen Druck einer geradezu schwindelerregenden Anzahl gesellschaftlicher Aktivitäten? Beispiel: Habe gerade eine Galaparty zur Feier des Endes des zweiten Monats gegeben. War großartig, wie der Höhepunkt eines Begräbnisses, gesellschaftliche Grabesstimmung. War große Sache. Lud sogar Terry ein (war ungeheuer erleichtert, daß mein Gast imstande war, die Angelegenheit in einen regelrechten Wirbel von Verpflichtungen zu verwandeln).
    Erstklassiges Ereignis: Es gab Kuchen, gebackene Hähnchenschenkel, ein kleines Steak, sogar Eiscreme. Bevorzugte selbst Steak und Kuchen, hochgeschätzter Gast wählte Eiscreme (bis an die Augen), Hühnerknochen (er pickt sie auf und frißt das Knochenmark – ist anscheinend ein Leibgericht). Zum Inventar gehören keine Knallfrösche (nach grobem Überblick), aber Gästeschar bemühte sich mit vereinten Kräften, diesen Mangel auszugleichen. Auf dem Höhepunkt des Gelages nagte sich Vogelhirn restlos durch die Sitzstange. Hockte natürlich zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet auf deren einem Ende, nahm seinen Sturz aber mit Stolz und einem Gefühl rechtmäßigen Triumphes hin. Watschelte dann zielstrebig auf das nächste Stuhlbein zu. Mußte rasch handeln, um ihn davon abzuhalten.
    Reparierte die Sitzstange.
    Habe auch 104 Bücher auf Mikrofilm gelesen, ungekürzte Ausgaben. Bin wahrscheinlich die größte lebende Autorität der Welt für jedes Gebiet.
    Als ob das etwas ausmachen würde.
    Später.
     
    Haben Sie sich schon einmal etwas so sehr gewünscht, daß Sie es fast schmecken konnten, etwas so lange ersehnt, bis es Hauptziel Ihres Lebens geworden war? Es dann schließlich bekommen – und gewünscht, Sie hätten es nicht erreicht?
    Richtig geraten: Drei Monate sind um – endlich!
    Ging nach oben, nach draußen. Blieb dort vielleicht zwei Stunden. Wanderte altbekannte Wege ab: Durch die vertraute Nachbarschaft, Hauptstraße, Einkaufszentrum, Quarry Lake Park, Schule, YMCA etc.
    Hätte nicht so lange bleiben sollen. Wäre ich auch nicht, wenn ich mir vorher darüber im klaren gewesen wäre, was mich dort erwartete. Als ich endlich zurückging, war es schon zu spät; zitterte am ganzen Körper, Tränen liefen mir übers Gesicht. Alte Wunden waren wieder aufgeplatzt, alter Kummer nagte wieder an meiner Seele. In der Sprechweise von heute bzw. gestern: War Horror-Trip.
    Zustände dort draußen sind jedoch Lebenstatsachen, Dinge, denen ich ins Gesicht sehen muß. Muß meine Reaktionen überwinden, wenn ich nicht Jahre damit verbringen will, einen belesenen Maulwurf zu spielen. Natur arbeitet langsam, Methoden sind unästhetisch, Aufräumarbeiten dauern Jahre. Da unentrinnbar, muß ich es akzeptieren, wie es ist, muß mir ein dickes Fell und gewisse Immunität zulegen. In der Zwischenzeit muß ich, so gut ich kann, mit dem Trauma fertig werden, das im Anschluß daran jedesmal auftaucht, so lange, bis es nicht mehr zum Vorschein kommt.
    Nun, damit fertig zu werden sollte kein Problem sein. Katharsis hat schon einmal gewirkt, warum also nicht auch jetzt. Wünschte allerdings, es gäbe noch einen anderen Weg. Macht wirklich keinen Spaß, schmerzt beim zweitenmal noch fast genauso. Aber hilft – außerdem habe ich schon früher gemerkt, daß ich nicht richtig funktioniere, wenn sich meine Seele in Krämpfen windet. Wird also auch Zeit, sich nicht länger zu verstecken. „Je eher begonnen, desto eher getan; je eher draußen, desto mehr Spaß daran.“ Bald (begreiflicherweise).
    Kann es nur jetzt noch nicht. Bin nicht in der Stimmung dazu, laboriere noch immer an meinem ersten Trauma. Werde

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