Analog 1
ein alter Mann. Oh ja, ich freue mich am Leben, aber ihr habt noch weit mehr Jahre vor euch. Schau, nehmen wir das Schlimmste an. Nehmen wir an, ich mache nicht nur eine tölpelhafte Landung, sondern lasse die Maschine vollständig zu Bruch gehen. Dann wird Luis zwar sterben, aber das wird er wahrscheinlich ohnehin. Ihr zwei jedoch werdet Zugang zum Materiallager an Bord haben und somit auch zu den Reserve-Treibstoffzellen. Ich bin bereit, ein meines Erachtens kleines Risiko zu übernehmen, um Luis wenigstens eine Überlebenschance zu geben.“
Scobie dachte darüber nach. Tief in seiner Kehle produzierte er ein langgestrecktes „Hmmm“. Eine Hand war beständig auf der Suche nach seiner Kinnspitze, während seine Augen über den glitzernden Kessel blickten.
„Ich wiederhole es“, fuhr Danzig fort, „falls ihr denkt, daß es für euch zu gefährlich ist, lassen wir diesen Versuch fallen. Bitte, entwickelt jetzt keinen Heldenmut. Luis würde uns sicher recht geben; besser, wir haben nur einen Toten zu beklagen, dafür aber drei gerettet, als die hohe Wahrscheinlichkeit, alle zusammen sterben zu müssen.“
„Laß mich bitte nachdenken.“ Scobie schwieg minutenlang, bevor er endlich sagte: „Nein, ich glaube, wir werden hier in keine allzu großen Schwierigkeiten kommen. Wie ich schon vorher sagte, scheint die Umgebung nach dieser großen Lawine in einem relativ stabilen Zustand zu sein. Sicher, das Eis wird verdampfen, bei Stoffen mit geringer Siedetemperatur könnte dies sogar explosionsartig vor sich gehen; das brächte uns in Gefahr. Der Dampf wird allerdings die Hitze so schnell mit sich fort führen, daß nur Material in der unmittelbaren Umgebung seinen Zustand verändert. Ich vermute, daß der feinkörnige Stoff von den Wänden abrutschen wird. Er hat jedoch eine so geringe Dichte, daß er keinen Schaden anrichten kann. Was die übrige Gegend betrifft, so glaube ich, daß sich so etwas wie ein kurzer Schneesturm erheben wird. Der Boden wird tüchtig aufgewühlt werden. Aber vielleicht – Jean, siehst du diesen flachen Felshügel da hinten? Es scheint die Spitze eines verschütteten Berges zu sein, massiv. Da wollen wir warten … Gut, Mark. Wir sind einverstanden. Wir können zwar nicht ganz sicher sein, aber wer kann das schon? Es ist zumindest eine gute Chance.“
„Was reden wir eigentlich die ganze Zeit“, sagte Broberg und schaute auf Luis, der vor ihren Füßen lag. „Während wir alle Möglichkeiten hin und her überlegen, kann Luis sterben. Ja, fliege los, Mark, wenn du dazu bereit bist.“
Als sie und Scobie Garcilaso auf den kleinen Hügel gebracht hatten, deutete sie vom Saturn zum Polaris und flüsterte: „Ich werde einen Zauber aussprechen, alle meine magischen Kräfte aufbringen und den Drachenkönig um Hilfe bitten, daß er Alvarlans Seele aus der Hölle befreit“, sagt Ricia.
4
Kein vernünftiger Mensch wird einem interplanetarischen Forscher Fehleinschätzungen der tatsächlichen Umgebung vorwerfen, besonders dann nicht, wenn solche Entscheidungen in Eile und unter nervlicher Belastung getroffen werden müssen. Gelegentlich auftretende Irrtümer sind unausweichlich. Wenn wir alle Fragen des Sonnensystems exakt beantworten könnten, so hätten wir keinen Grund mehr, es zu erforschen.
Minamoto
Das Boot hob ab. Kosmischer Staub wurde von seinen Düsen aufgewirbelt. Nach hundertfünfzig Metern Höhe wurde der Schub gedrosselt, und es stand still wie auf einem Sockel aus Feuer.
In der Kabine waren nur wenige Geräusche zu hören – ein leises Zischen und ein tiefes, kaum wahrnehmbares Vibrieren. Schweißperlen bildeten sich auf Danzigs Stirn, glitzerten zwischen seinen Bartstoppeln und durchnäßten seinen Overall. Er schickte sich an, ganz auf sich allein gestellt, ein Unternehmen zu riskieren, das fast so schwierig wie ein Kopplungsmanöver im All war.
Äußerst vorsichtig bewegte er einen Schieber nach vorn. Eine Seitenantriebsrakete erwachte zum Leben. Das Boot kippte und drohte, senkrecht nach unten zu schießen. Danzigs Hände flogen über die Armaturenkonsole. Er mußte die senkrechten und waagerechten Antriebskräfte auf einen resultierenden Schub einrichten, der ihn langsam und gleichmäßig in östliche Richtung bringen konnte. Die Kraftvektoren änderten sich so oft wie bei der Laufbewegung eines Menschen. Der Kontrollcomputer, der mit den Sensoren verbunden war, half zwar beim groben Ausbalancieren, jedoch nicht bei den kritischeren Einstellungen.
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