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Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Lizenznehmer sich gegen uns erheben. Und wenn das geschieht, dann schwindet unser fürstliches Einkommen, und Universal Patents wird binnen kürzester Zeit bankrott sein.“ Er sah dem Anwalt direkt in die Augen. Seine Stimme war glatt wie Seide, schlüpfrig wie polierter Granit. „Lassen Sie es nicht soweit kommen, Ordway.“
    Sein Gefährte schluckte und wurde um eine Schattierung bleicher. „Ich verstehe, Mr. Kull.“
     
    „Alles aufstehen!“ befahl der Saalordner. „Hiermit ist die Verhandlung des Distriktsgerichts von Port City eröffnet. Den Vorsitz führt Richter Speyer.“
    Richter Speyer kam aus seinem Kämmerchen und ging mit raschen Schritten auf seine Bank zu. Er hatte eine große, dünne Mappe dabei, die gegen seinen Talar schlug, während er die drei Stufen bis zu dem großen Richterstuhl erklomm. Kaum hatte er Platz genommen, reichte ihm der Beamte die Unterlagen des Falles. Er überflog den Deckel kurz. Universal Patents gegen Welles . Der richtige Fall. Seine Augen blinzelten im Raum umher und fanden Ellen Welles fast augenblicklich. Großartig! Sie brachten solche Frauen immer herein, um das Sympathiegefühl der Geschworenen zu erwecken. Aber natürlich würde er diesen Fall nicht den Geschworenen überlassen.
    Nun zur sachgerechten Vorbereitung. Er öffnete die Mappe und breitete alles fein säuberlich aus. Er wußte, seine Art, sich im Richterstuhl zu entspannen, führte manchmal zu bösen Kommentaren, aber das kümmerte ihn nicht. Alles war streng logisch.
    Er war ein beleibter Mann, aber seine Arme und Beine waren spindeldürr. Sein Kopf schien direkt auf den Schultern zu sitzen, ohne Nacken und auch ohne die Notwendigkeit eines solchen. Den kleinen, runden Kahlkopf hatte er schon als Junge gehabt. Seine Erscheinung und sein Äußeres sowie sein Name hatten bald zu dem Spitznamen „Spinne“ geführt. Weder in seiner Jugend noch im besten Mannesalter hatte er sich wieder davon lösen können, und noch heute war es nicht ungewöhnlich, daß er Post bekam, die an „Richter Spinne“ adressiert war.
    Nun gut, dann eben Die Spinne. Die Schmach hatte sich mit der Zeit gelegt, war zum persönlichen Triumph geworden.
    Spinnen waren sein Hobby geworden. Er hatte die Arachniden von Grund auf erforscht. Und jetzt, sogar auf dem Richtersitz, sogar heute, in dieser seltsamen Patentangelegenheit, kümmerte er sich um Spinnen. Er betrachtete die Papiere, die er aus seiner Mappe geholt hatte. Schon lange war es seine Angewohnheit zu kritzeln, wenn er den Aussagen der Zeugen oder den Schlußfolgerungen der Anwälte zuhörte.
    Gekritzel? Nein, sie waren viel zu perfekt, um als Kritzeleien zu gelten. Flach vor ihm auf dem Pult ausgebreitet, zwischen der Wasserkaraffe und dem Ordner mit den Unterlagen, lag ein Stapel Papiere, jedes achtundzwanzig mal dreißig Zentimeter in den Abmessungen. Auf jedem Blatt war die Zeichnung einer anderen Spinne zu sehen. Natürlich waren die Arachniden mehr als überlebensgroß. Sie alle hatten die Beine etwa fünfzehn bis zwanzig Zentimeter gespreizt. Manchmal waren die achtbeinigen Geschöpfe beim Weben dargestellt, manchmal schienen sie auch nur leichtfüßig über einen unsichtbaren Boden zu huschen. Manchmal hingen sie an einem einzigen seidenen Faden herab.
    Die Bilder wurden von der Gesellschaft der Spinnenforschung Neu Englands vorbereitet. Was für großartige Arbeit dort geleistet wurde! Die Gesellschaft hatte fast siebenhundert Spezies allein in Neu England identifizieren können. Sie hatte auch diese Bilder herausgegeben. Der Käufer konnte sie anhand eines Zahlenkodes selbst kolorieren.
    Und was haben wir heute, dachte er.
    Atropos. Eine neuentdeckte Spezies, offensichtlich eine Mutation von Klotho via Lachesis. Nur einhundert Exemplare waren bekannt geworden. Natürlich hatte er eines davon. In seinem Studierzimmer im Terrarium. Sie war etwas ganz Besonderes. Atropos spürte Fliegen, die sich in ihrem Netz gefangen hatten, aufgrund winziger elektrischer Ströme auf, die durch die hauchdünnen Seidenfäden bis zum Nervenzentrum des Netzes liefen. Sagte man.
    Sobald die Ereignisse hier ihren Lauf nahmen, konnte er die Pinselspitze in das Wasserglas tauchen, im Farbenkasten ein leuchtendes Kobaltblau mischen und das zentrale Band um den Unterleib von Atropos ausmalen. Und dann die beiden zinnoberroten Streifen.
    Noch einmal suchte sein Blick mit größter Befriedigung Kopf und Augen von Ellen Welles. Etwas Besseres konnte er sich überhaupt nicht wünschen. Er

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