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Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Projektor in Aktion trat.
    Das Bild zeigte ein Tier – eine Maus – in Überlebensgröße. Sie sahen, wie das Gefäß mit dem vergifteten Wasser durch einen Schlitz an der Vorderseite hineingeschoben wurde. Zuerst wich das kleine Geschöpf zurück, dann schnüffelte es in Richtung der Flüssigkeit. Im Gerichtssaal herrschte Totenstille. Langsam kroch die Maus vorwärts, furchtsam, hob ihren Kopf über den Rand des Schüsselchens, trank zwei, drei Tröpfchen, dann wich sie wieder zurück und verschied unter gräßlichen Zuckungen, wobei sie das Gefäß umschüttete.
    Der Gerichtsdiener öffnete die Deckelklappe des Käfigs und hob das verendete Tier am Schwanz, den er vorsichtig zwischen behandschuhtem Daumen und Zeigefinder hielt, in die Höhe, damit es jeder sehen konnte. Dann zeigte er es zuerst deutlich dem Richter und schließlich den Geschworenen.
    „Danke, Gerichtsdiener“, sagte Richter Speyer.
    Quentin Thomas hatte diese Prozedur schon mehrmals erlebt. Damals wie heute wurde ihm fast übel dabei, bis zu dem Punkt, wo seine Hände zu zittern begannen. Aber nicht der Tod der Maus machte ihn so betroffen. Auch nicht die Möglichkeit, daß die Frau aus demselben Glas trinken mußte. Nein, was ihn immer wieder entsetzte, war der dünne Speichelfaden, der am Kinn von Richter Speyer hinabrann. Und die Art, wie Speyer Ellen Welles betrachtete. Als wäre Speyer eine Boa constrictor, die sich langsam um ein hypnotisiertes Kaninchen wand.
    Langsam schien wieder Leben in den Raum einzukehren. Der Gerichtsdiener ließ das Tier in den Käfig zurückfallen, ging hinüber zu der chromumschlossenen Glasvitrine, die das Gift enthielt, drehte den Schlüssel um und stellte das Ganze auf die Richterbank neben den Wasserfarbenkasten. Dann schob er das Wägelchen mit dem Käfig aus dem Gerichtssaal hinaus. Als die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war, wandte Richter Speyer sich lächelnd den Geschworenen zu. „An dieser Stelle ist es üblich, darauf hinzuweisen, daß eine sterile Spritze direkt neben dem Wasserglas liegt.“
    Dieser Bastard, dachte Quentin Thomas. Er starrt Ellen unverhüllt an!
    „Die natürlich nur dann zum Einsatz kommt“, fuhr er fort, „wenn das Opfer sich weigert, aus dem Glas zu trinken. Und damit ist der Test abgeschlossen. Ich sehe, wir sind alle von der Feierlichkeit des Augenblicks beeindruckt. Wenden wir uns nun aber der Verhandlung zu. Irgendwelche Vorbehalte? Mr. Ordway?“
    Ordway stand auf. „Nein, Euer Ehren.“
    Der Verteidiger schob seinen Stuhl zurück, fuhr mit der Hand über seinen roten Talar und stand ebenfalls auf. „Euer Ehren, ich beantrage eine Vertagung dieses Verfahrens, bis der Oberste Gerichtshof im Fall Universal Patents gegen Williams entschieden hat. Wie Euer Ehren sich wahrscheinlich bewußt sind, ist Williams ein Fall, der dem vorliegenden sehr ähnelt. Im Fall Williams verlor der Angeklagte zwar, beantragte aber eine Aussetzung der Strafe durch das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht weigerte sich allerdings, den Angeklagten anzuhören, da das Patentrecht eine Strafaussetzung oder gar Aufhebung keinesfalls vorsieht. Daher brachte der Angeklagte eine Petition ein, in der er den Obersten Gerichtshof bat, genau zu prüfen, ob eine Verweigerung des Berufungsrechts nicht die gesamten Statuten des neuen Patentrechts ungesetzlich macht. Der gegenwärtige Stand der Dinge ist der, daß im Obersten Gerichtshof über diese Petition verhandelt wird und man ein Urteil in den kommenden Tagen erwartet. Wenn der Petition stattgegeben wird, und auch das erwartet man, so besteht die Möglichkeit, daß das Oberste Gericht bereits nächste Woche seine Entscheidung verkündet.“
    „Mr. Ordway?“ sagte Speyer.
    „Nun, Euer Ehren, selbstverständlich bin ich damit nicht einverstanden. Zunächst einmal gibt es keinen augenscheinlichen Beweis, daß die Petition tatsächlich dem Obersten Gericht vorliegt. Aber selbst wenn wir von dieser Mutmaßung ausgehen, so ist es doch nur reine Spekulation, ob das Oberste Gericht die neuen Patentstatuten für ungesetzlich erklären wird. Ich würde mit allem gebührenden Respekt eine solche Entscheidung auch als höchst unwahrscheinlich ansehen. Betrachtet man diese Aspekte, so scheint mir eine Vertagung nicht gerechtfertigt zu sein. Daher bin ich dagegen.“
    „Fürs erste stimme ich mit Ihnen überein, Mr. Ordway. Ich lehne den Antrag der Verteidigung auf Vertagung ab. Ich will Ihnen aber zugestehen, Mr. Thomas, Ihren Antrag erneut vorbringen

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