Analog 2
natürlich nicht.“
„Und Sie haben keinen Mietvertrag, keine Aufenthaltserlaubnis.“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Keine Wahrscheinlichkeiten, Mr. Miller. Ja oder nein.“
„Nein.“
„Keine weiteren Fragen. Mr. Thomas, Ihr Zeuge.“
Quentin Thomas fühlte sich benommen. Er unterdrückte den Wunsch, den Kopf zu schütteln, um seine Gedanken wieder zu klären. Er sagte: „Seit Sie hier sind, Mr. Miller – haben Sie da mit irgend jemandem ein Wort gesprochen?“
„Kein einziges Wort.“
„Nichts, sagen wir mal Beleidigendes? “
„Überhaupt nichts.“
„Haben Sie irgend jemandem irgend etwas getan? “
„Nein. Ich habe niemanden gesehen, mit Ausnahme von Victor Higgins. Und der ist bekannt.“
„Ich erhebe Einspruch gegen diese Art der Fragestellung“, sagte Richter-Staatsanwalt Jones. „Vollkommen irrelevant.“
„Ich wollte nur aufzeigen, daß nichts, was mein Klient hier getan hat, seine Ausbürgerung rechtfertigen kann“, widersprach Thomas.
Der Richter-Staatsanwalt verschwand, worauf der schwarzgekleidete Richter wieder erschien. „Ich gebe dem Einspruch des Staatsanwaltes statt.“
„Sie sprechen jetzt als Gericht?“
„Natürlich.“
Der Anwalt wandte sich wieder an den Zeugen. „Mr. Miller, wie lange sind Sie bereits hier?“
„Das weiß ich nicht. Manchmal erscheint es mir wie hundert Jahre, manchmal scheint es auch erst gestern gewesen zu sein.“
„Könnten es einundzwanzig Jahre sein?“
„Mit Leichtigkeit.“
„Keine weiteren Fragen.“
„Sie können sich wieder entfernen, Mr. Miller.“ Richter Jones sah zu Quentin Thomas. „War das dann alles, Mr. Thomas?“
„Ich würde gerne einen Zeugen für meinen Klienten aufrufen, Euer Ehren.“
„An wen haben Sie dabei gedacht?“
„An Sie, Euer Ehren.“
„Mich?“
„Sie.“
„Und was für Fragen wollen Sie mir stellen?“
„Nun ein paar. Zuerst: Erklären Sie mit vernünftigen Worten, weshalb Sie Carlton Millers Wunsch nicht anerkennen wollen, allein ans Ufer zu gehen und der Meeressymphonie zu lau schen? Zweitens: Wenn Sie sich gegen uns entscheiden sollten – wie, wenn überhaupt, sieht dann die Berufungsinstanz aus?“
Die Wangen des Richters wurden flammend rot. „Das ist eine geradezu unglaubliche Impertinenz, Mr. Thomas! Sie berufen ein Gericht als Zeugen!“
„Darf ich Euer Ehren daran erinnern, daß Euer Ehren bereits Zeuge sind – der Anklage.“
„Schweigen Sie, Mr. Thomas! Sonst werde ich Sie in Gewahrsam nehmen müssen!“
„Und wie würde dieses Gewahrsam aussehen, Euer Ehren? Würden Sie mich hierbehalten?“
„Vielleicht. Vielleicht nicht. Im Grunde genommen, Mr. Thomas, wären Sie kein großer Fang. Wir haben bereits Hunderte von Anwälten hier. Was nicht heißen soll, wir könnten keinen Platz mehr für einen weiteren schaffen.“
„Greifen Sie hier den Ereignissen nicht etwas vor, Euer Ehren? Ich bin noch nicht tot.“
„Eine untergeordnete, technische Angelegenheit, Mr. Thomas.“ Richter Jones rieb sich sein schuppiges Kinn mit gekrümmten Nägeln. „Jedenfalls lehne ich es ab, als Ihr Zeuge berufen zu werden. Das wäre doch gar zu verletzend. Und ich wei gere mich, Ihre Fragen vom Richterstuhl aus zu beantworten.“
Quentin Thomas schwieg.
„Daher, Mr. Thomas, können wir jetzt, wie ich glaube, zur ab schließenden Bestandsaufnahme kommen. Ich verzichte für die Anklage auf dieses Privileg. Wollen Sie das Schlußwort haben, Mr. Thomas?“
Der Anwalt seufzte. Wahnsinn. Aber was hatte er schon zu verlieren? „Euer Ehren, im Verlauf dieses Verfahrens fungierten Sie als Kläger, Gerichtsdiener, Richter, Staatsanwalt und Zeuge. Ich habe keine Einwände gegen Ihr Auftreten als Gerichtsdiener. Aber was die anderen Rollen anbelangt, da habe ich bestimmte Vorbehalte.
Zunächst einmal zur Anklage. Dieser Fall hat die Natur eines Exmissionsverfahrens. Sie versuchen, Mr. Miller von hier zu verbannen. Aber können Sie das rechtlich durchführen? Es ist für ein Exmissionsverfahren von vitaler Bedeutung, daß der Kläger seine Ansprüche selbst in ordnungsgemäßer Weise nachweisen kann. Der Kläger muß seine Besitzesrechte nachweisen, indem er die Gültigkeit seiner eigenen Ansprüche nachweist und nicht die Ungültigkeit der des Angeklagten.“
Richter Jones gähnte. „Lassen Sie sich nicht stören, Mr. Thomas.“
„Weiterhin“, fuhr der Anwalt unbeeindruckt fort, „haben Sie darauf bestanden, als Zeuge in Ihrem eigenen Fall aufzutreten. Das allein
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